Schlagzeugerin Eva Klesse ist Deutschlands erste Jazz-Instrumentalprofessorin. Und obwohl ihr Quartett ihren Namen trägt, sind alle Beteiligten gleichberechtigt. Genau das reizt Ulrich Habersetzer besonders am aktuellen Album "Creatures & States".
Bildquelle: enja
Das Jazzalbum des Monats
Das Eva Klesse Quartett - "Creatures and States"
Buntes Laub wirbelt durch die Luft, Morgennebel liegt über der Landschaft und nass-kalt weht der Wind. Diese Stimmung transportiert die Komposition "Herbstmonat" - zu hören auf dem Album "Creatures & States" vom Eva Klesse Quartett. Aber es vergehen fast zwei Minuten, bevor sich die Schlagzeugerin und Bandleaderin ganz sanft mit leichten Besenstrichen in die Musik hineinschlecht. Das ist eine Besonderheit bei dieser Band: Alle machen Pausen und haben Freiraum. Alle gestalten gemeinsam einen transparenten und gleichberechtigten Gesamtklang. In diesen Klängen ist Luft drin, und dieses Miteinander macht die Musik so überzeugend und so stark.
Zum Album "Creatures & States" haben alle Bandbeteiligten Kompositionen beigesteuert. Herrliche, teils kompakte, teils ausgedehnte Ton-Erzählungen sind das, die zum fantasievollen Miterleben und Mitreisen einladen - Geschöpfe und Zustände werden beschrieben: Da irrt man durch das zum Klingen gebrachte Labyrinth des Minotaurus, lernt Mr. Liu kennen, einen chinesischen Tourmanager und ziemlich schrägen Typen. Man trifft Hal Incandenza, einen haltlosen jungen Mann, angelehnt an eine Romanfigur von David Foster Wallace oder bürstet im Traum ein winziges Flusspferd: "Brushing Hippopotami". Äußerst stimmungsvoll und mit viel kompositorischem Fingerspitzengefühl sind diese Ereignisse in Töne gegossen.
Eva Klesse und ihre drei Mitspieler Altsaxophonist Evgeny Ring, Pianist Philip Frischkorn und Kontrabassist Stefan Schönegg interagieren und improvisieren auf höchstem Niveau und mit faszinierender Leichtigkeit. Die vier sind perfekt eingespielt, und man spürt in der Musik ein immenses Vertrauen innerhalb der Band. Das Eva Klesse Quarett hat das erreicht, was andere eine ganze Karriere lang suchen: einen individuellen Bandsound. Und den hört man auf "Creatures & States" besonders gut.
Sendung: Leporello am 3. November 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK