"Weniger ist mehr" – Wie man dieses Prinzip im Jazz umsetzen kann, demonstriert das Trio des Münchner Trompeters Julian Hesse. Ohne Harmonieinstrument entsteht luftige Transparenz, intensiviert sich das Zusammenspiel, vergrößern sich Gestaltungsräume. In der "Bühne frei im Studio 2" Session stellt sich die ungewöhnliche Besetzung vor.
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Verhältnismäßig weitverbreitet sind solche Trios mit einem Saxophon. Sonny Rollins war Ende der 1950er-Jahre der erste, der sich an das Bandformat ohne Harmonieinstrument wagte. Viele folgten ihm auf diesem Weg und tun es bis heute – darunter Ornette Coleman, Lee Konitz, Branford Marsalis, Joe Lovano und Mark Turner. Aber Trompete, Kontrabass und Schlagzeug? Das ist eine seltene Kombination. Als Julian Hesse seine Band gründete, ging es ihm darum mehr solistischen Freiraum zu haben als in den größeren Formationen, in denen er sein Instrument im Satz spielt, und die Soli eher knapp bemessen sind: in der Jazzrausch Bigband etwa, der Monika Roscher Bigband oder im Rebecca Trescher Tentet. Außerdem findet er es spannend, die harmonischen Verläufe der Musik aus dem abstrakteren Raum kommend abzubilden, wenn die Töne von Akkorden nicht gleichzeitig, sondern einzeln gespielt angeordnet werden. Die klingenden Linien so zu verflechten, dass die Musik vollständig erscheint, ist eine besondere Aufgabenstellung, für die er mit Bassist Peter Cudek und Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber die richtigen Partner gefunden hat.
Jedes Stück besticht mit einem ganz eigenen Charakter, weil die Musiker ihren Fokus immer wieder neu ausrichten. Auf die Variationen einer starken Melodie etwa bei der Komposition "Ask me now" von Thelonious Monk aus der Bebop-Ära oder die effektvoll reduzierte Funkyness eines Fusion-Stücks aus dem Repertoire des französischen Trompeters Eric Truffaz. Die Tradition des Jazz hallt in den eigenen Kompositionen wider – Post Bop, Blues, Latin Grooves sind hier die immens swingende Basis für ein gemeinschaftliches Abheben in den improvisatorischen Raum. Weil das Konzertrepertoire und das Debütalbum des Trios in Corona-Zeiten entstanden sind, hat Julian Hesse das Programm "Troubleshooter" genannt. Das englische Wort für Menschen, die man holt, wenn es gilt schwierige Situationen zu bewältigen, münzt das Julian Hesse Trio auf die Musik um. Denn: es hilft, sie zu machen und sie als Publikum zu erleben.
Hören und sehen kann man die drei starken Solisten im faszinierenden Zusammenspiel in der "Bühne frei im Studio 2" Audio-/Videosession. Am 15. Dezember 2021 waren Trompeter Julian Hesse, Bassist Peter Cudek und Schlagzeuger Sebastian Wolfgruber mit dem Programm "Troubleshooter" zu Gast im Funkhaus des BR in München. Im Radio wird ihr Programm am Freitag, 7. Januar 2022, ab 23.05 Uhr in der Jazztime auf BR-Klassik vorgestellt und steht danach sieben Tage zum Nachhören auf br-klassik.de im Themenbereich Jazz zur Verfügung. Das Video ist unbegrenzt verfügbar.
Jazztime am Freitag, 7. Januar 2022, 23:05 Uhr
Mit dem Julian Hesse Trio
Moderation und Auswahl: Beate Sampson