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Norma Winstone wird 75 Jahre alt Der Gesang der Sirene

Schon in den 70er Jahren verlieh sie dem modernen europäischen Jazz eine seiner schönsten Stimmen: die britische Vokalistin Norma Winstone. Mit ihrer poetischen Gesangskunst setzt sie bis heute Maßstäbe jenseits der swingenden Interpretation von Jazzstandards.

Norma Winstone | Bildquelle: Lisa Valder

Bildquelle: Lisa Valder

Von der Orgel zum Jazz

Die am 23. September 1941 in London geborene Sängerin hatte zunächst Klavier und Orgel studiert, bevor sie 1965 begann, mit den ersten Jazzensembles im Swinging London aufzutreten. Schnell fand sie den Weg in die englische Avantgarde Szene. Im "Spontaneous Music Ensemble" oder der "Music Improvisation Company" sang sie damals und auch in den großen Formationen von Michael Garrick und Mike Westbrook, mit dem sie 1970 die LP "Lovesongs" aufnahm. 1971 wurde sie vom "Melody Maker" zur besten Jazzsängerin gekürt und ein Jahr später erschien ihre Debüt LP "The Edge of time".

Wichtige Begegnungen und lebenslange Beziehungen

Norma Winstone | Bildquelle: Caroline Forbes/ECM Records Trio "Azimuth" | Bildquelle: Caroline Forbes/ECM Records Die interessantesten Musiker der englischen Avantgarde- Szene hatte sie für ihr Debüt  zusammengetrommelt - darunter der Pianist John Taylor, den sie im selben Jahr heiratete. Er blieb über Jahrzehnte ihr wichtigster künstlerischer Partner, auch über die spätere private Trennung hinaus. Ihr bekanntestes gemeinsames Projekt  war das 1977 mit dem aus Kanada stammenden Trompeter Kenny Wheeler gegründete Trio "Azimuth". Die Aufnahmen, die sie für das Münchner Label ECM machten, brachten ihnen Weltruhm. In der großen poetischen und manchmal nahezu traumverlorenen Kraft der Gruppe klang eher die klassische Moderne an, als die amerikanische Jazztradition. Sechs Platten nahmen sie zusammen auf. Das Album "Siren's Song" aus dem Jahr 1996 markierte das Ende des gemeinsamen Weges dieser drei Musikerpersönlichkeiten. Zeitlose Schönheit haben sie geschaffen. Norma Winstone ist das letzte lebende Mitglied des Trios. John Taylor, der Vater zweier gemeinsamer Kinder, erlag im Juli 2015 einem Herzinfarkt, den er während eines Konzerts in Frankreich erlitten hatte, Kenny Wheeler starb ein Jahr zuvor.

Norma Winstone ohne "Azimuth"

Mit "Azimuth" sang Norma Winstone vor allen Dingen eigene Kompositionen aus den Reihen der Band, zu denen sie die Texte schrieb.  Aber sie interpretiert auch hervorragend Songs anderer Künstler. Herrlich etwa ihre Version des Jazzklassikers "Tea for two" auf der CD "Somewhere called home" - mit John Taylor und  Saxophonist Tony Coe, oder "Big Yellow Taxi" von Joni Mitchell in einer Einspielung mit der NDR Big Band von 2006. Seit sechs Jahren leitet Norma Winstone zusammen mit der Pianistin Nikki Iles das Sextett "The Printmakers", in dem ein Who's Who der britischen Jazzszene versammelt ist. Musik, weit wie der Blick über einsame englische Küstenlandschaften und durchweg eigene Kompositionen sind auf ihrer CD "Westerly" zu hören, bei denen Norma Winstone im ihr eigenen zart nachdrücklichen Tonfall einmal mehr die Sogkraft einer mythologischen Sirene entfaltet.

Drei auf einer Wellenlänge

Norma Winstone | Bildquelle: Clauco Comoretto/ECM Records Bildquelle: Clauco Comoretto/ECM Records Eine spannende Repertoire-Mischung fährt Norma Winstone im Trio mit dem italienischen Pianisten Glauco Venier und dem deutschen Sopransaxophonisten und Bassklarinettisten Klaus Gesing. Seit 1998 arbeitet sie mit den beiden zusammen. Auf ihren vier CDs - drei davon sind bei ECM erschienen - liegt der Schwerpunkt auf eigenen Kompositionen, aber auch zauberhafte Trio-Versionen von Tom Waits und Peter Gabriel Hits, moderne Jazzstücke von Wayne Shorter und Maria Schneider mit schönen Texten von Norma Winstone und traditionelle Musik aus dem Friaul, Glauco Verniers Heimat, die sie ganz wunderbar in furlanischer Sprache interpretiert, sind darauf zu finden.

Als musikalisches "Alter Ego" empfinden sich Norma Winstone, Glauco Vernier und Klaus Gesing gegenseitig, als Instant-Composer mit zwischen sich verlaufender musikalischer Standleitung, die es ihnen möglich macht, von einem Mindestmaß an Thema- und Motivvorlagen ausgehend ihre Kompositionen immer wieder neu zu erfinden und gleichzeitig in schlafwandlerisch sicherem Zusammenspiel packende Spannungsbögen und knisternde Atmosphäre zu erzeugen.

Norma Winstone mit Glauco Venier (Klavier) und Klaus Gesing (Bassklarinette)

Viele Preise und ein großes Fest

Der Titel "Best singer" ging bei den BBC Jazz Awards schon dreimal an Norma Winstone. Für ihre Verdienste auf kulturellem Gebiet wurde ihr 2007 das Verdienstkreuz der Order of the British Empire verliehen. 2008 wurde ihre Trio -CD "Distances" für einen Grammy nominiert und erhielt einen Preis der Académie du Jazz in Paris. 2013 wurde sie Ehrenmitglied der Royal Academy of Music und 2015 bewiesen die englischen Parlamentarier guten Geschmack und gute Ohren, als sie  Norma Winstone mit dem Parliamentary Jazz Award als beste Jazzsängerin des Jahres auszeichneten. Am 16. November wird Norma Winstone in der Cadogan Hall in London ihren 75. Geburtstag nachfeiern, gemeinsam mit dem Royal Academy Orchestra, einer Big Band und dem Trio mit Glauco Vernier und Klaus Gesing.

Jazztime - 16. November 2016 ab 23.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Jazz aus Nürnberg. Mostly Vocal: Ein Special über die englische Sängerin Norma Winston am Abend ihres großen Geburtskonzerts in der Londoner Cadogan Hall und poetischer Instrumental-Jazz mit dem Trio TRARA.
Moderation und Auswahl: Beate Sampson

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