Bacelona, 19. April 1936: Das Violinkonzert von Alban Berg wird uraufgeführt. "Dem Andenken eines Engels". So steht es über den Noten zu diesen berückend zarten Klängen. Der Engel ist: Manon, Tochter von Alma Mahler aus deren Ehe mit dem Architekten Walter Gropius.
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Berg fand die Klänge, die seiner inneren Bewegung entsprachen. Klänge, die zugleich atonal und tonal sind. Klänge, die einerseits klar und zurückgenommen, andererseits von tiefstem Ausdruck sind. Klänge, in denen sich eine Zwölftonreihe erst mit einem Kärntner Volkslied und schließlich mit einem Bachchoral verbündet. Die Süße des Todes hat darin den selben Platz wie seine Bitterkeit. Denn Berg weiß um beides. Um Leid und Erlösung. Um Todesangst und Diesseitsfreude.
Ein klingendes Portrait des Mädchens Manon ist dieses Violinkonzert geworden. Zugleich ein Klangbild über Leben und Tod. Auftraggeber ist der amerikanische Geiger Louis Krasner. Der Tod von Manon kam überraschend hinzu, das Ereignis machte das Komponieren zu einer inneren Notwendigkeit, gab ihm Sinn. Denn einfach so ein Violinkonzert zu schreiben, gar ein Virtuosenstück – daran hatte Berg kein Interesse gehabt.
Louis Krasner übermittelte diese Musik erstmals einem Publikum: in Barcelona. Alban Berg ist nicht dabei. Das Requiem für Manon wurde sein eigenes. Berg starb wenige Monate nach Vollendung seines Violinkonzertes. Und so wurde wahr, was er am Ende des Konzerts in Töne fasste. Da hören wir einen Bachchoral: "Es ist genug. Herr, wenn es dir gefällt, so spanne mich doch aus."
Weihevoll ist dieses erste zwölftönige Violinkonzert. Und da passte es auch, dass der Dirigent der Uraufführung Hermann Scherchen bei tosendem Applaus die Partitur so in die Hände nahm und dem Publikum entgegenhielt, als halte er ein Messbuch in Händen.
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Berg: Violinkonzert ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Frank Peter Zimmermann ∙ Alain Altinoglu
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Sendung: "Allegro" am 19. April 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK