Die Alte Musik ins Heute zu holen – bei den Barokksolistene ist das kein leeres Versprechen. Auf ihrer neuen CD verwandeln sie Purcell in Pop. Das Ergebnis klingt so intensiv, dass man stellenweise gleichzeitig weinen und die Welt umarmen möchte.
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Sie sind nicht einfach ein weiteres Barockensemble. Sondern ein Ereignis, ja ein Lebensgefühl. Und für Kenner längst Kult: die Barokksolistene aus Norwegen rund um den Geiger Bjarte Eike. Strenggenommen sind sie nicht einmal ein Originalklangensemble im puristischen Sinn. Sagen wir also besser: eine Band, die auf historischen Instrumenten spielt. Aber gelegentlich auch zu Kontrasbass oder Harmonium greift. Immer mit schwindelerregendem Können und sicherem Geschmack. Aber auch durchdrungen von Freiheit, Spontaneität - und Witz.
Eigentlich muss man die Barokksolistene live erleben. Wenn sie Telemanns Kanarienvogel-Kantate oder Nonsense-Stücke von PDQ Bach aufführen, dann tun sie das so unwiderstehlich komisch, dass selbst die vom Stuhl fallen, die sonst zum Lachen in den Keller gehen. Und in ihren sogenannten "Alehouse Sessions" mixen sie Barock-Songs und Seemanns-Shantys, animieren das Publikum zum Mitsingen und kollektiven Fäusterecken und verwandeln den Konzertsaal mit kastenweise Flaschenbier in ein Pub. Und nun also ihr neuester Streich: die "Playhouse Sessions".
Diese "Playhouse Sessions" gehen zurück auf eine Inszenierung von Shakespeares "Sommernachtstraum" kurz vor dem Corona-Lockdown. Sechs Schauspieler und die Barokksolistene machten ein Restaurant der norwegischen Stadt Haugesund zur Theaterbühne, Bjarte Eike wurde zum Puck, seine Musiker zu Elfen und Handwerkern. Die neue CD dokumentiert sozusagen den Soundtrack dazu - und dokumentiert die Verschmelzung von Pub-Atmosphäre und Shakespeare-Magie, Ausgelassenheit und Intimität, Party und Tiefsinn.
In fast jeder Nummer fließen unterschiedliche Vorlagen auf wundersame Weise nahtlos ineinander: Purcell-Arien und Folksongs, Tänze von Playford und schottische Fiddle-Musik, Kunstlieder und Trinklieder. Die Stücke sind knackig arrangiert und nur drei bis fünf Minuten lang, aber können wie z.B. ein guter Popsong eine ganze Welt umfassen. Da ist Platz nicht nur für Partystimmung, sondern auch für herzzerreißende Melancholie.
In den besten Momenten möchte gleichzeitig weinen und die Welt umarmen. Die Alte Musik ins Heute zu holen - bei den Barokksolistene ist das kein leeres Versprechen. Ob man Purcell auch morgen und übermorgen noch so hören will? Oder ob man sich mit der Zeit satthören wird wie an der Crossover-Masche des Ensembles L'Arpeggiata? Völlig egal! Genießen wir den Augenblick, tauchen wir mit den Barokksolistene ein ins intensive Jetzt.
Musik von Purcell, Clarke, Gow, Dowland
Barokksolistene, Leitung: Bjarte Eike
Label: Rubicon
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 13. November 2022, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK