Der italienische Barockkomponist Antonio Caldara und sein Schüler Gregor Joseph Werner waren zu ihrer Zeit gefragte Musiker-Persönlichkeiten. Eine neue Aufnahme stellt nun überzeugend Caldara und Werner einander gegenüber.
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Mathematiker sind oft gute Musiker – und umgekehrt. Denn Musik lebt – genau wie die Mathematik – durch Proportionen, Formeln und komplexe Ordnungsprinzipien. Eines der großen mathematischen Formspiele der Musik ist die Fuge, also ein Stück, dessen Melodiestimmen gleich sind, aber nacheinander einsetzen. Dass sich daraus kein chaotisches Durcheinander ergibt, sondern purer Wohlklang, genau das ist eben die Kunst.
Der größte Fugenschreiber der Musikgeschichte: Klar, Johann Sebastian Bach. Aber auch sein italienischer Zeitgenosse Antonio Caldara war geradezu auf Fugen spezialisiert. Der gefeierte Kapellmeister am Wiener Hof Kaiser Karls VI. wusste, wie man wirkungsvolle kontrapunktische Klangteppiche von leuchtender Farbigkeit knüpft.
Das Ensemble la festa musicale unter der Leitung von Lajos Rovatkay hat zusammen mit dem Voktett Hannover einige Vokal- und Instrumentalwerke mit und ohne Fugen von Antonio Caldara eingespielt. Diesen festlich aufrauschenden, unbedingt hörenswerten Stücken sind Kompositionen von Caldaras 23 Jahre jüngerem begabtesten Schüler Gregor Joseph Werner gegenübergestellt. Lajos Rovatkay hat bereits mit mehreren Aufnahmen diesen fast vergessenen Komponisten wieder ins Licht der Aufmerksamkeit gerückt. Und auch dieses Mal beeindruckt Gregor Joseph Werner mit Schwung, Grazie und melodischer Fantasie. Kein Wunder, dass er in Diensten des Fürsten Esterhazy hoch im Kurs stand und erst von seinem berühmten Nachfolger Joseph Haydn vom Thron des Ruhmes gestoßen wurde.
Gregor Joseph Werner war ebenfalls im Kosmos kunstvoller Fugen zu Hause, sie wurden auch eines seiner Markenzeichen. Im Gegensatz zu Antonio Caldara, der noch ganz in der Strenge des italienischen Spätbarocks verhaftet ist, leuchtet bei Werner bereits der helle Lichtstreif von Rokoko und Empfindsamkeit am Horizont. Lajos Rovatkay überzeugt mit sicherer Gestaltungskraft und Sinn für gut ausgewogene Dynamik. La festa musicale und das Voktett Hannover, beide kammermusikalisch besetzt, sind souveräne Mitstreiter.
Fugen kann man übrigens auch genießen und wunderbar finden, wenn man selbst nicht gut in Mathe ist. Und das ist vielleicht das Allerbeste an ihnen.
Gregor Joseph Werner, Antonio Caldara
Madrigale, Ave maris stella, Fugen, Sonaten, Requiem
Voktett Hannover,
la festa musicale, Lajos Rovatkay (Leitung)
Label: audite
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 29. Dezember 2024, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK