Legendär waren sie: Die Aufführungen von William Shakespeare und seiner Truppe im Globe Theatre. Dabei spielte vermutlich auch die Musik eine wichtige Rolle. Welche genau, dem ist das Hathor Consort nachgegangen.
Bildquelle: Ramée
Music in Shakespeare's Plays, die Musik in den Werken von Shakespeare – zuerst kam mir diese CD vor, wie eine Mogelpackung. Denn es gibt keine überlieferte Musik bei Shakespeare, und daran ändert auch die CD nichts. Die Fragestellung ist aber anders: Romina Lischka und ihr Hathor Consort beschäftigen sich damit, welche Musik im Globe Theatre potentiell hätte erklingen können. Denn es gibt klare Hinweise auf Gesangseinlagen und Instrumentalmusik in Shakespeares Werken. Diesen Hinweisen sind die Musikerinnen und Musiker nachgegangen.
Es finden sich, nicht wirklich überraschend, die üblichen Verdächtigen: Thomas Morley ist mit einigen Stücken vertreten, "The Lover and his less" könnte sogar tatsächlich original für die entsprechenden Shakespeare-Verse komponiert worden sein; außerdem gibt es Musik von William Byrd, Anthony Holborne, John Playford und anderen. Das Hathor Consort stützt sich auf eine Untersuchung, die allen Liedtexten eine mögliche zeitgenössische Melodie zuteilt, mal auf solider Indizienbasis, mal mehr oder weniger spekulativ. Dazu kommt eine Reihe von Instrumentalwerken, rhythmisch orientierte Tänze oder auch Balladen als Hintergrundbeleuchtung der Gefühlsmomente.
Programmidee hin oder her, die Einspielung wird zum Erlebnis durch die große Erfahrung des Hathor Consorts mit der klanglichen Realisierung dieses Repertoires. Dabei ist es recht schwierig, die Klangwirkung vom Hathor Consort trefffend zu beschreiben. Zu einem Gambenconsort gesellt sich eine Flöte und die Continuogruppe umfasst sogar ein Salterio, eine Art Zither. Die Kombination aus einer ganz eigenen Geschmeidigkeit mit dieser instrumentalen Farbentfaltung ist bemerkenswert, wie ein im Sonnenlicht dahinfließender Strom aus Klangfarben. Darunter leidet aber keineswegs die Präzision der rhythmischen Struktur. Die klare Leichtigkeit der Sopranistin Hannah Morrison fügt sich gut ein und die unprätenziöse Innigkeit von Marnix de Cat ist eine Klasse für sich. Die wissenschaftliche Forschung kann immer nur Grundlage einer Interpretation sein. Kunst wird daraus durch die Fantasie der Musikerinnen und Musiker. Und wenn das Ergebnis so schön ist wie hier, dann ist mogeln gerne erlaubt.
Marnix de Cat (Countertenor), Hannah Morrison (Sopran)
Hathor Consort, Romina Lischka (Leitung)
Label: Ramée
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. August 2024, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK