Unverzichtbar oder überflüssig? Hält ein Dirigent einen Taktstock in der Hand oder eher eine Geige? Oder sitzt er am Cembalo? Kommt natürlich drauf an...
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Duke Ellington bei der Arbeit. Der legendäre Big Band-Chef leitet sein Orchester vom Flügel aus, spielt, gestikuliert, kommuniziert mit Musikern wie Publikum. Ganz ähnlich sieht es aus, wenn ein Alte Musik-Ensemble nach historischem Vorbild musiziert – nur, dass hier der Ensemble-Leiter am Cembalo sitzt.
Den Dirigenten, wie wir ihn heute aus der symphonischen Musik kennen, gibt es erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Der mit dem Rücken zum Publikum dem Orchester gegenüberstehende Maestro hat die völlige Kontrolle über das musikalische Geschehen. Bei ihm liegt die alleinige Interpretationshoheit. Die immer größer werdenden Orchester der aufkommenden Romantik machten einen zentralen Bezugspunkt nötig. Es sind nun so viele Musiker beteiligt, dass jemand die musikalischen Abläufe koordinieren muss. Der Taktstock soll die Handbewegungen des Dirigenten verdeutlichen und weithin sichtbar machen. Im Taktschlagen liegt der Ursprung des Dirigentenhandwerks.
Bei den meist wesentlich kleineren Ensembles der Zeit vor 1800 konnten die wesentlichen Aufgaben eines Dirigenten – also ein verbindliches Tempo vorzugeben, Anfang und Ende des Stückes zu markieren sowie den gestalterischen Ablauf anzudeuten – meist von einem der aktiven Musiker übernommen werden. Oft war dies der Komponist des aufgeführten Stückes, begleitend am Cembalo, oder auch der 1. Violinist.
Johann Mattheson schrieb 1739 in "Der vollkommene Capellmeister":
"Die Führung des Tacts ist gleichsam die Hauptverrichtung des Regierers einer Musik. […] Ich bin der Meinung, daß ein kleiner Winck, nicht nur mit der Hand, sondern bloß und allein mit den Augen und Geberden das meiste hiebey ausrichten könne, ohne ein grosses Federfechten anzustellen; ich bin allzeit besser dabey gefahren, wenn ich sowol mitgespielt, als mitgesungen habe, als wenn ich bloß des Tacts wegen nur da gestanden bin. Der Chor wird durch solches Mitspielen und Mitsingen sehr ermuntert, und man kan die Leute viel besser anfrischen."
Von 1565 ist der Ratschlag von Tomás de Santa María überliefert, jeder Musiker möge lernen, den Takt selber mit dem Fuß zu schlagen – was aber aufgrund störender Geräuschentwicklung kaum praktiziert wurde. Anders bei den Musikern von Duke Ellington: Denn jetzt war die Musik laut genug, um alle Nebengeräusche zu überdecken, und so wurde eine alte Idee wie selbstverständlich wieder lebendig.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. März 2012, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK