Nicht nur bei Vivaldi glaubt man, sie würden um ihr Leben spielen: Fabio Biondi und Europa Galante gehen beim Musikmachen stets mit frischem, packendem Zugriff zur Sache – kraftvoll, vital, rasant.
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Die Interpretationen des italienischen Geigers und Dirigenten von Musik des 17. und 18. Jahrhunderts sind atemberaubend und unerhört. "Man bringt diese Musik", so Fabio Biondi, "zum Leuchten, indem man freudig akzeptiert, dass man zu einer Kultur gehört, die eine sehr romanische, sehr südländische, sehr sonnige Kultur ist. Mit unserer Italianità zeigen wir, dass wir in einem Europa leben, das zum Glück vereinigt und doch voller Unterschiede ist. Das finde ich sehr wichtig, denn jede Uniformität - ob in der Kultur, ob in der Interpretation - ist ein großer Fehler."
Geboren wurde Fabio Biondi am 15. März 1961 in Palermo geboren - er ist ein Musiker aus Sizilien und ein großer Europäer. Unglaublich spät kam er zur Musik: Erst im Alter von - man lese und staune - elf Jahren hielt er zum ersten Mal eine Violine in der Hand. Innerhalb eines Jahres machte er indes solche enormen Fortschritte, dass er mit Zwölf an der Seite des Orchesters der Radiotelevisione Italiana schon ein Konzert als Solist geben konnte. Mit Sechzehn spielte er dann die Violinkonzerte von Bach im Wiener Musikverein.
Bildquelle: Ana de Labra Nikolaus Harnoncourt und der Concentus Musicus Wien sowie Reinhard Goebel und die Musica Antiqua Köln waren für Fabio Biondis Musizieren frühe Vorbilder und Orientierungsinstanzen. In der Folge spielte er mit führenden Ensembles der Originalklang-Szene: mit La Capella Reial de Catalunya unter Jordi Savall, mit dem Clemencic Consort, mit dem Seminario Musicale, mit La Chapelle Royale unter Philippe Herreweghe, mit Les Musiciens du Louvre unter Marc Minkowski. 1990 gründete Fabio Biondi dann sein eigenes Ensemble: Europa Galante heißt es und hat sich mit seinem Leiter an der Spitze längst einen legendären Ruf auf der ganzen Welt erspielt.
Neben der Pflege des gängigen Repertoires hat Fabio Biondi in Bibliotheken und Archiven viele vergessene Komponisten und deren Werke aus dem 18. Jahrhundert wieder zu Tage gefördert und zur Aufführung gebracht: Opern und Oratorien von Francesco Feo und Michele Falco, Orchestermusik von Carlo Monza, Konzerte von Locatelli. Fabio Biondi, der Schatzgräber, der zu den vermeintlichen "Kleinmeistern" seine ganz eigene Meinung hat:
"Ich glaube, dass die Wiederentdeckung der so genannten "kleineren Komponisten" der musikalischen Welt zeigt, dass man die Musikgeschichte schlecht geschrieben hat. Locatelli war vielleicht der wichtigste Star des 18. Jahrhunderts, der wichtigste Violinspieler, ein außergewöhnlicher Virtuose, ein fabelhafter Komponist. Große Gestalten wie Paganini nahmen sich ihn als Maßstab. Der junge Paganini sagte: ‚Ihr werdet schon sehen, aus mir wird vielleicht ein viel bedeutenderer Geiger als Locatelli.' Er war wirklich das Vorbild."
Seit 2005 ist Fabio Biondi auch Künstlerischer Leiter der Stavanger Symphoniker in Norwegen und zudem Musikalischer Leiter der Oper von Valencia in Spanien. Als Dirigent widmet er sich auch Opern jenseits des Alte-Musik-Repertoires - von Rossini und Bellini beispielsweise, als Geiger spielt er auch Schubert und Schumann. Das alles erfüllt von jenen Eigenschaften, die der Musiker selbst als seine wichtigsten ansieht: "Neugier und im Allgemeinen gute Laune".
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 10. September 2017, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK