Welch eine Karriere! Venedig, London, Dresden; und überall liegt ihr das Publikum zu Füßen. Sie singt an den bedeutendsten Opernhäusern ihrer Zeit die Musik der aufregendsten Opernkomponisten des Spätbarocks: von Händel und Hasse.
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Damals wie heute: da mag die Begabung noch so groß, die Arbeit noch so hart sein, zum absoluten Weltruhm braucht es einen handfesten Skandal. Diesen Skandal liefert die italienische Mezzosopranistin Faustina Bordoni dem Londoner Opernpublikum am 6. Juni 1727. Während einer Aufführung von Bononcinis Astianatte kommt es zu einem Zusammenstoß von Bordoni-Fans mit den Anhängern ihrer Konkurrentin Francesca Cuzzoni. Ein Zeitgenosse berichtet:
Was die Opernfans angeht, so sind sie leidenschaftlicher denn je. Ich nehme an, Sie haben bereits gehört, dass beide Sängerinnen letzten Dienstag so mit Zischen und Buhrufen bedacht wurden, dass die Vorstellung an diesem Abend nicht zu Ende gebracht werden konnte.
Später bauscht man das unsportliche Verhalten des Publikums auf und behauptet, die beiden Diven hätten sich auf der Bühne regelrecht verprügelt. Faktisch falsch. Aber die Geschichte ist zu schön, und die Protagonistinnen erhalten seitdem astronomische Gagen.
Die Biografie der Faustina Bordoni, genannt La Sirena, bietet alles, was ein Superstar auch heute noch seinem sensationshungrigen Publikum schuldig ist. Die Tochter eines Kammerdieners kommt in einer Dachwohnung in Venedig zur Welt. Als man ihr Talent entdeckt, finanziert eine adlige Gönnerin ihre Ausbildung. Mit 19 Jahren gibt Faustina Bordoni in Venedig ihr Operndebüt und tritt anschließend in ganz Italien auf. Zehn Jahre später, am 5. Mai 1726, debütiert Faustina Bordoni im Londoner King's Theatre mit Händels Oper Alessandro. Allein als Händel-Interpreten verdient sie mindestens 3.000 Pfund im Jahr. Längst ist sie die erfolgreichste Sängerin ihrer Zeit.
Der Komponist Benedetto Marcello lobt ihren Gesang, indem er betont, dass die Bordoni ihre Arien nicht mit Verzierungen überhäuft. Johann Joachim Quantz beschreibt die Primadonna so:
Sie hatte ein gutes Gedächtnis in den willkührlichen Veränderungen und eine scharfe Beurtheilungskraft, um den Worten, welche sie mit der größten Deutlichkeit vortrug, ihren gehörigen Nachdruck zu geben.
Die Klatschpresse wiederum findet reichlich Futter, als die berühmte italienische Sängerin 1730 einen deutschen Komponisten heiratet. Die Braut ist bereits 33 Jahre alt und schwanger.
Sofort dichtet man Faustina Bordoni ein Verhältnis mit dem sächsischen Kurfürsten an, denn Bordoni und ihr Mann übrigens - kein Geringerer als Johann Adolf Hasse - sind zu jener Zeit am Dresdner Hof angestellt. Hasse schreibt seiner Frau über 20 Opern auf den Leib, kraftvolle Partien, die viel darstellerische Präsenz erfordern.
1751, 35 Jahre nach ihrem ersten großen Auftritt, verabschiedet sich Faustina Bordoni von der Bühne. Die nächsten 20 Jahre lebt sie mit ihrer Familie in Wien, dann in Venedig, wo Faustina Bordoni hochbetagt am 4. November 1781 stirbt.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 5. Juli 2015, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK