Es sind oft gewagte Ideen, die das Hilliard Ensemble umsetzt, doch die vier Sänger singen auf einem so hohen Niveau, dass eigentlich nichts schief gehen kann.
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Wenn diese vier Herren zu singen beginnen, dann ist oft die Gänsehaut nicht weit. Das Hilliard Ensemble scheint fast ein Abo auf magische Momente zu haben. Schon bald nach seiner Gründung 1974 mischt das Quartett in der obersten Liga der Vokalensembles mit und zeichnet sich durch eine ganz eigene Mischung aus Klang, Repertoire und Musikgespür aus. Von Beginn an war das Konzept, sich auf Musik vor 1600 zu konzentrieren und mit zeitgenössischer Musik zu kombinieren.
Typisch für das Hilliard Ensemble ist das britische Understatement: die unspektakuläre Schlichtheit, mit der die Werke präsentiert werden, klar und sauber. David James, Countertenor und Gründungsmitglied, über die Voraussetzungen für den kontinuierlichen Erfolg:
"Ich denke, zunächst mal das Wichtigste: eine gute Gesundheit, man muss sich gut fühlen, um auftreten und dabei Freude haben zu können. Zweitens muss man sich eine tiefe Liebe zu dem bewahren, was man tut, die Leidenschaft für das, was man tut, und das ist etwas, was das Hilliard Ensemble niemals verloren hat. An dem Tag, an dem wir den Spaß an der Musik verlieren und uns fragen, was wir da tun und nur noch daran denken, dass wir damit Geld verdienen, an dem Tag sollte Schluss sein."
Das Repertoire der vier Sänger in der Besetzung Countertenor, zwei Tenöre und Bariton deckt von den mittelalterlichen Avantgarde-Klängen Perotins an das gesamte Spektrum vorbarocker Vokalmusik ab; das Album mit Motetten von Guillaume de Machaut wurde mit einer Grammy-Nominierung ausgezeichnet. Eine langjährige und enge Zusammenarbeit verbindet das Hilliard Ensemble mit dem Komponisten Arvo Pärt. Viele Werke aus dem Bereich der Neuen Musik, wie z. B. von Gavin Bryars, Stephen Hartke, Heinz Holliger oder Wolfgang Rihm sind direkt für die Gruppe geschrieben. Und auch wenn das Hilliard Ensemble eigentlich eine a capella-Gruppe ist, gibt es viele Kooperationen mit Kammermusikgruppen und auch Orchester. Doch welche Musik auch immer: das Hilliard Ensemble lässt dem jeweiligen Komponisten stets den Raum, in seiner ganz individuellen Art zu erklingen.
Auf Experimente lassen sich die Sänger des Hilliard Ensemble gerne ein. Die musikalische Studie "Morimur" beleuchtet die Hintergründe von Bachs Chaconne in d-Moll, bei dem schließlich die Sänger direkt zu den Violinklängen des großartigen Variationswerks singen. Ein anderes Projekt katapultierte sie 1993 musikalisch in den freien Raum – hier entstand die sehr erfolgreiche, weit über Genregrenzen hinaus wahrgenommene Zusammenarbeit mit dem Jazz-Saxophonisten Jan Garbarek, die bis heute andauert. Alte Vokalmusik gepaart mit freier Improvisation: das eröffnete dem Ensemble eine ganz neue Dimension im Umgang mit musikalischer Spontanität. Die Kombination völlig unterschiedlicher Musikrichtungen ließ etwas Neues, ganz Eigenes entstehen. Typisch Hilliard Ensemble – Gänsehaut inklusive.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 17. Februar 2013, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK