Thomaskantor in Leipzig – bis heute eines der wichtigsten Ämter im Bereich der Kirchenmusik. Der berühmteste Amtsinhaber war J. S. Bach. Es lohnt sich aber, auch seine Vorgänger und Nachfolger näher kennenzulernen.
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Johann Kuhnau, wer war das eigentlich? Zu seinen Lebzeiten stellt ihn Johann Adolph Scheibe in seiner Zeitschrift "Critischer Musicus" auf eine Stufe mit Händel, Keiser und Telemann als einen der bedeutendsten Komponisten. Heutzutage weiß man von Johann Kuhnau allerdings nur noch recht wenig. Selten steht sein Name auf Konzertprogrammen, selten wird seine Kirchenmusik aufgeführt. Johann Kuhnau kommt am 6. April 1660 in Geising, einer Ortschaft in Sachsen, ein kleines Stück südöstlich von Dresden, zur Welt. In Dresden erhält er dann seine musikalische Ausbildung bei Musikern der dortigen Hofkapelle.
Heimisch wird er schließlich in Leipzig. Dort wird er zunächst Organist an der Thomaskirche, 1701 auch Thomaskantor. Bis zu seinem Antritt als Thomaskantor komponiert Kuhnau vor allem Werke für Tasteninstrumente. Äußerst erfolgreich sind seine Clavierübungen, sehr beliebt die "Biblischen Historien-Sonaten", sein bedeutendster Beitrag auf dem Gebiet der Claviermusik. Kuhnau stellt hier jeder der sechs Sonaten einen kurzen literarischen Absatz voran, in dem er genau schildert, was in der Sonate erklingt. Was dann folgt, ist Programmmusik vom Feinsten. Die erste Sonate trägt den Titel "Der Streit zwischen David und Goliath". Da hört man, wie die beiden Streitworte wechseln, und wie David den Stein gegen die Stirn des Riesen schleudert.
Das Amt des Thomaskantors bringt es mit sich, dass Kuhnau fortan hauptsächlich geistliche Werke komponiert. Da vieles davon nie gedruckt wird, ist sehr wenig dieser Kirchenmusik erhalten. Sind die Werke für Tasteninstrumente erfrischend neuartig komponiert, so lehnen sich die kirchenmusikalischen noch an die Vokalpolyphonie der Renaissance an.
Kuhnau ist neben seiner Tätigkeit als Musiker und Komponist auch studierter Jurist, spricht mehrere Sprachen und agiert als Schriftsteller. Er ist Autor der bissigen Satire "Der musikalische Quacksalber". Darin prangert Kuhnau, der nie wirklich weit herumgekommen ist, die Begeisterung für Musiker aus Italien an, die aus seiner Sicht primär wegen ihrer weiten Reise gefeiert werden.
Während seiner letzten Lebensjahre wird Kuhnau zunehmend unzufrieden mit seinem Posten als Thomaskantor. Zum einen sind zu wenige gute Sänger und Musiker an der Thomaskirche, um seine Werke aufzuführen. Zum anderen sind mit Georg Philipp Telemann und Johann Friedrich Fasch große Konkurrenten in der Stadt. Auch sein Gesundheitszustand macht ihm mehr und mehr zu schaffen. Am 5. Juni 1722 stirbt Johann Kuhnau in Leipzig an Lungenschwindsucht. Sein Ruhm verblasste im Schatten seines Nachfolgers an der Thomaskirche Johann Sebastian Bach.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 11. April 2010, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK