Ihr Leben liefert eigentlich Stoff für einen Hollywoodfilm – ist aber bislang noch nicht verfilmt worden. Sie war Wunderkind, Polin, Pianistin, Forscherin, Französin, Cembalistin, Jüdin, Dozentin, Flüchtling und Alte-Musik-Pionierin.
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Man mag ob dieser opulenten Klänge etwas ins Zweifeln geraten - aber ja: Es ist ein Cembalo, das wir da hören. Monatelang hatte die polnische Tastenvirtuosin Wanda Landowska einen Klavierbauer durch europäische Museen geschleppt, um originale historische Cembali zu vermessen und danach ein Instrument zu konstruieren. 1912 stellte sie dieses erstmals in einem Konzert vor: Es war elend schwer, besaß einen gusseisernen Rahmen wie ein moderner Flügel, entsprechend straff gespannte Saiten, und sechs Register, darunter einen saftigen 16-Fuß-Zug. Doch mit diesem Instrument begründete sie die Renaissance des Cembalospiels im 20. Jahrhundert.
"Man darf niemals Angst davor haben, wieder ganz von vorne anzufangen - so oft, wie es notwendig ist", erklärte Landowska einmal. Sie selbst hatte im Laufe ihres Lebens reichlich Gelegenheit dazu - freiwillig und unfreiwillig.
1879 in Warschau geboren, gab sie als Wunderkind Klavierkonzerte, studierte später in Warschau und Berlin, und zog mit 20 nach Paris, wo sie heiratete und an der Schola Cantorum unterrichtete. Vorerst noch Klavier. Doch ihr Interesse galt schon damals der Alten Musik, und ab 1903 präsentierte sie einem höchst erstaunten Publikum regelmäßig Konzerte mit Barockmusik auf dem Cembalo.
Sicher, auch im Jahrzehnt zuvor hatten schon vereinzelt Pianisten auf dem Cembalo konzertiert. Aber erst Wanda Landowska besaß die Energie, die Persönlichkeit und auch die Musikalität, um ein großes Publikum mit ihren durchaus eigenwilligen Interpretationen von diesem Instrument zu überzeugen. Als "Die Dame mit dem Cembalo" wurde sie schon zu Lebzeiten zur Legende.
"Ich war aggressiv, denn es ging um mein Cembalo. Heute gibt es so viele Cembalisten - oder was man so Cembalisten nennt: Überall findet man Cembalisten. Sie wuchern wie die Pilze. Aber die haben keine Ahnung, wie hart der Kampf damals war."
Routine und Mangel an historischem Sinn seien die Hauptursachen für die Verstümmelung der größten Meisterwerke durch moderne Interpreten, schrieb sie 1909 in ihrem Buch "Musique ancienne" - und versuchte Abhilfe zu schaffen: 1912 begründete sie eine Cembaloklasse in Berlin, begann 1920 eine Schule für Alte Musik in Paris aufzubauen, sammelte Instrumente und schrieb über Alte Musik.
1940 flohen beide vor den Nazis nach Amerika, wobei sie all ihre Habe zurücklassen mussten. Also fing Wanda Landowska ein weiteres Mal von vorn an - und gewann sich schnell auch in den USA ein begeistertes Publikum:
"Ich liebe mein Publikum, ich bin verliebt in mein Publikum. Ich teile mit ihnen meine Freude, und das wissen sie sehr gut."
Landowska konzertierte auf dem Cembalo bis in ihre letzten Lebensmonate. Und als sie 1959 in ihrem Haus in Conneticut starb, da war der Siegeszug der Alten Musik in die Konzertsäle und Aufnahmestudios schon in schönstem Gange. Wanda Landowska war eine von denen, die ihn angeführt haben.
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 3. April 2011, 13.05 Uhr auf BR-KLASSIK