Wie jeden Sonntag war der französische Komponist und Organist Armand-Louis Couperin in Eile. Kaum hatte er den letzten Ton auf der Orgel der Sainte-Chapelle für den abendlichen Vespergottesdienst gespielt, hastete er auch schon los zur nächsten Kirche - und wurde zum Opfer der modernen Mobilität.
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Armand-Louis Couperin sammelte Organistenposten wie andere Leute Tabakdosen: Neben der königlichen Sainte Chapelle bediente er die Kirchen Saint-Jean-en-Grève, Sainte-Maguerite und Saint-Merry, das Karmelitenkloster, nicht zu vergessen alle vier Wochen die Kathedrale Notre-Dame und natürlich vor allem die Kirche Saint-Gervais, seit mehr als vierzig Jahren - wie schon zuvor sein Vater Nicolas, sein Großcousin Francois Couperin und dessen Onkel Louis.
Die Couperins waren in Frankreich das, was die Bachs in Deutschland waren: eine Musikerdynastie, die die Kulturgeschichte des Landes nachhaltig prägte. Am meisten natürlich der große François. Aber auch Armand-Louis, genannt "der Neffe", ein berühmter Improvisator auf Orgel und Cembalo.
Er zeigte viel Abwechslung im Stil, Finger, die an Stärke und Geläufigkeit jeder Schwierigkeit gewachsen waren, war meisterhaft in der Modulation.
Jetzt aber brauchte Couperin wie jeden Sonntag nicht schnelle Finger, sondern schnelle Beine. Der Gottesdienst in Saint-Gervais am anderen Seine-Ufer hatte bereits begonnen, sein Sohn vertrat ihn dort einstweilen an der Orgel. Armand-Louis lief los - und da geschah es.
"Er wurde umgestoßen und niedergetrampelt von einem Pferd, das zügellos dahingaloppierte. Der Gaul gehörte einem betrunkenen Postillion und sollte auf seinem Weg noch weitere Leute zu Fall bringen. Monsieur Couperin wurde nach Hause gebracht, bewusstlos und mit Brüchen am ganzen Körper", so wurde berichtet. Wenige Stunden später, am 2. Februar 1789, erlag Armand-Francois Couperin seinen schweren Verletzungen. Der letzte große Vertreter einer großen Musikerdynastie war - am Vorabend der Revolution - zu einem Opfer der modernen Mobilität geworden.
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