Brescia, 5. Januar 1920: Der Pianist Arturo Benedetti Michelangeli wird geboren. Seine Eltern setzten ihn gegen seinen Willen ans Klavier. Und er wurde zu einem der größten Pianisten seiner Zeit. Er verzauberte Kritiker und Publikum – wenn er das Konzert nicht kurzfristig platzen ließ.
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Alfred Cortot sah in ihm einen neuen Liszt. 1939 war das, und der 19-jährige Arturo Benedetti Michelangeli hatte gerade den Genfer Musikwettbewerb gewonnen. Wäre es nach ihm gegangen, dann allerdings nicht als Liszt 2.0, sondern als "Paganini Reborn".
Der kleine Arturo will Geiger werden, obwohl die Eltern am Klavier ihre Brötchen verdienen. Vielleicht auch gerade deshalb. Ein ausgeprägter Eigenwille, das Suchen nach dem Sonderweg wird ihn lebenslang begleiten. In Sachen Geige scheitert er allerdings. Der kränkelnde Wunderknabe gilt als zu schwächlich für das Instrument – und wird widerstrebend ans Klavier gesetzt, wo sich das Wunder erst richtig entfaltet.
Dass Musik aus der Stille kommt – das verkörpert kein Pianist so anschaulich wie Arturo Benedetti Michelangeli. Niemand sonst strahlt am Klavier eine solche Ruhe aus wie der Italiener: der aufrechte, aristokratische Sitz, die strenge Miene, als wäre er peinlich darauf bedacht, ja nichts zu verschwenden, all seine Expressivität in die Fingerkuppen zu lenken, und in den Klang. Ökonomisch könnte man das nennen. Treffender wäre: magisch. Denn so streng und nüchtern sein Spiel aussieht, so farbig und fantasievoll hört es sich an.
Leichtigkeit erkauft durch absolute Perfektion. Zu spüren bekommen das zum Beispiel die Instrumente, auf denen Benedetti Michelangeli spielen soll, aber nicht will. Und das Publikum, das immer wieder Konzertabsagen hinnehmen muss. Manchmal in letzter Sekunde. Der Saal ist voll, der Pianist sagt: nö. Schaden tut's ihm nicht. Im Gegenteil: Es nährt den Mythos des scheuen Genies.
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Arturo Benedetti Michelangeli plays Debussy Preludes Premier livre
Geliebt wird er sowieso. Selbst ein Großkritiker wie Joachim Kaiser schwärmt rückhaltlos: "Noch kräftiger und jünger als Artur Rubinstein, noch nobler und stilsicherer als Claudio Arrau, noch rhythmischer und intelligenter als Friedrich Gulda und gewiss technisch so perfekt wie Vladimir Horowitz" sei der Italiener. So Kaiser nach dessen Auftritt bei den Salzburger Festspielen im Jahr 1965.
Benedetti-Michelangeli, der "Göttliche", ist damals längst im Klavierolymp angekommen und zu einem gefragten Lehrer geworden. Unter anderem Martha Argerich und Maurizio Pollini zählen zu seinen Schülern. Letzterer, der übrigens am selben Tag Geburtstag hat, nennt Michelangeli einen "Mann von immenser musikalischer Gewissenhaftigkeit". Zur Abwechslung mal eine Beschreibung, die ohne Superlativ auskommt – nicht leicht bei diesem Pianisten.
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Sendung: "Allegro" am 5. Januar 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK