Daniel Müller-Schott gehört längst zu den größten Cellisten seiner Zeit. In Amerika wird er ebenso euphorisch empfangen wie in Europa und Asien. Am 4. November gibt er in München sozusagen sein "Heimspiel": Er ist zu Gast im Studio 2 des Bayerischen Rundfunks. Dort hat er auch sein neuestes Album eingespielt mit Werken u.a. von Henze, Kodály, Crumb und Casals. Ob zeitgenössische Werke, romantisches Repertoire oder Barockklänge: Daniel Müller-Schott fühlt sich in jeder Epoche wohl – und wird nicht müde, das Cellorepertoire immer wieder neu zu entdecken.
Bildquelle: BR
Was ist Musik für Sie?
Eine innere Entdeckungsreise und ein Sog, der mich bis heute nicht loslässt.
Wer hat Sie fürs Cellospielen begeistert?
Yo-Yo Ma, als er 1981 mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks probte.
Von welchem nicht mehr lebenden Komponisten hätten Sie gern ein Cellokonzert?
Brahms oder Beethoven.
Was darf auf Konzertreisen nicht fehlen?
Gutes Essen und Ohropax.
Was fasziniert Sie daran, zeitgenössische Werke aufzuführen?
Der Prozess, ein Stück gemeinsam mit dem Komponisten entwickeln zu können.
Welches Werk legen Sie Klassik-Neulingen ans Herz?
Robert Schumanns "Dichterliebe", die berührt jeden!
Was brauchen Sie vor dem Konzert?
Vor allem Ruhe und Kontemplation.
Was ist Ihre geheime Leidenschaft?
Französische Malerei des 19. Jahrhunderts.
Welchen Rat geben Sie jungen Künstlern?
Schaut nicht nach links und rechts. Traut euch, anders zu sein!
Was ist Ihr Wunsch für die Zukunft?
Jedes Kind sollte die Möglichkeit haben, ein Instrument zu lernen.
Ein Blick auf Daniel Müller-Schotts engmaschigen Tourneeplan der letzten Wochen, und man gerät selbst fast ins Schwitzen. Gerade noch hat der Cellist in den USA mit der Seattle Symphony konzertiert, gleich darauf bei der Schubertiade Kammermusik aufgeführt, in Frankfurt als “MuseumsSolist” den Museums-Salon musikalisch eröffnet und in Cardiff einen Meisterkurs gegeben, bevor er beim Studiokonzert des Bayerischen Rundfunks auftritt. Ach ja, und in Berlin und Düsseldorf hat er zwischendurch auch noch gespielt. Anschließend geht es dann weiter nach Südkorea.
Konzert zum Tag der deutschen Einheit 2018 am Brandenburger Tor | Bildquelle: Daniel Müller Schott Official Site, Facebook "Ich kann bei meinen Konzerten überall auf der Welt Freunde treffen, deshalb macht mir das Reisen nach wie vor Freude", erklärt Müller-Schott sein Jetsetter-Leben. Wo er auch auftritt, überall schwärmen Kritiker von seinen geschmackssicheren Interpretationen und seiner überragenden Technik. Dass der gebürtige Münchner inzwischen zu den gefragtesten Cellisten weltweit gehört, zeigt auch seine Homepage. Da nennt er sich ganz selbstverständlich #TheCellist. Dort findet man auch Bilder seines wohl größten Konzerts bisher: Zur historischen Feier am Tag der Deutschen Einheit 2018 spielte Daniel Müller-Schott am Brandenburger Tor vor 500.000 Zuhörern.
Es ist schön und erfüllend, ein Musiker zu sein!
Dass er gern Musiker ist, nimmt man dem sympathischen und bodenständigen Künstler sofort ab. Und wenn Daniel Müller-Schott dann noch regelmäßig zeitgenössische Werke uraufführen kann, ist sein Musikerleben perfekt. Etwa im März, als er zusammen mit Anne-Sophie Mutter und Lambert Orkis das “GhostTrio” des New Yorker Komponisten Sebastian Curriers in der Carnegie Hall zum ersten Mal auf die Bühne bringen durfte. “Wir haben intensiv geprobt und dabei mit dem Komponisten viel darüber gesprochen, welche Assoziationen er in bestimmten Sätzen hatte. Bei so einem Entstehungsprozess dabei zu sein und Einfluss zu nehmen, das ist ganz wunderbar!”
Mit fünf Jahren entdeckt Daniel Müller-Schott das Cello für sich. "Das hängt unmittelbar mit dem BR zusammen", erzählt Daniel Müller-Schott BR-KLASSIK mit einem Augenzwinkern. Seine Mutter nahm den Jungen mit zu einer Probe des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Yo-Yo Ma spielte Schumanns Cellokonzert. "Ich saß auf der Empore und war völlig fasziniert. Die Wärme des Cellotons hat mich verzaubert." Mit sechs Jahren bekam er ersten Cellounterricht. Mit 15 gewann er den renommierten Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau.
Musik ist wie ein Sog, der mich bis heute nicht loslässt.
Bildquelle: Uwe Arens Der Musiker liebt es, beim Spielen zu spüren wie das Cello vibriert. "Selber zu erleben, wie ein Ton geformt wird, hat etwas sehr Sinnliches. Das wollte ich immer in meinem Leben haben." Einen Plan B zum Berufsmusiker gab es für Daniel Müller-Schott nie. Er studierte bei Walter Nothas, Heinrich Schiff und Steven Isserlis, wurde von Anne-Sophie Mutter gefördert und nahm ein Jahr Privatunterricht bei Mstislav Rostropowitsch, der ihn mit zahlreichen Cellowerken des 20. Jahrhunderts vertraut machte. "Ein Werk einzustudieren, ist wie ein Bild, das man immer wieder ansieht. Je mehr Lebenserfahrung man hat, desto mehr entdeckt man." Routine im Musikeralltag gibt es für Daniel Müller-Schott deshalb nicht. "Wenn ich mich mit Dirigenten und anderen Künstlern treffe, steckt jeder in einer anderen Lebenssituation. Und natürlich bringen wir unsere Erfahrungen mit in die Proben und Konzerte. Man lebt mit den Stücken und erzählt sie sich sozusagen unter Freunden."
Bildquelle: © Uwe Ahrens Bevor es auf die Konzertbühne geht, ist für Daniel Müller-Schott eines ganz entscheidend: zur Ruhe zu kommen. "Musik entsteht aus der Stille. Leider findet man Momente, in denen man ganz zu sich kommen kann, in unserer hektischen Welt viel zu selten." Verspätungen auf Reisen, Zeitumstellungen, überfüllte Flughäfen und laute Innenstädte: Da helfen nur innere Balance – und eine Schachtel Ohropax im Handgepäck. "Manchmal möchte ich meine Ohren schließen wie die Augen!"
Am 4. November 2019 um 20:00 Uhr gibt Daniel Müller-Schott ein Solokonzert im Studio 2 des Münchner Funkhauses. Bachs Suite für Violoncello solo Nr. 3 verwebt er mit Stücken von Hindemith, Henze, Prokofjew, Crumb und Kodály.
Bildquelle: © Uwe Arens Wenn er auf Tournee ist, verknüpft Daniel Müller-Schott seine Aufenthalte in Städten gern mit einem Stadtbummel oder einem Museumsbesuch, um runterzukommen. Das Handy bleibt dabei bewusst ausgeschaltet. "Wenn mir Leute E-Mails oder SMS schicken, wollen sie immer sofort eine Antwort. Diesen Druck versuche ich von mir fernzuhalten. Ich möchte nicht sofort und immer verfügbar sein." Wie sehr Smartphone, Social Media und Co. das Leben vieler junger Musiker bestimmen, sieht Daniel Müller-Schott kritisch. "Musikstudenten müssen ganz bewusst lernen zu dosieren: Wie strukturiere ich meinen Tag, mein Üben, ohne dass diese Ablenkung überhandnimmt."
Eines möchte Daniel Müller-Schott trotz vollgepackter Konzertsaisons nicht missen: die Begegnung mit Kindern und Jugendlichen beim Projekt “Rhapsody in School”. Seit 14 Jahren geht er mit seinem Cello regelmäßig in Schulen, um dort seine Begeisterung für klassische Musik zu teilen. Immer wieder ist er überrascht, wie aufgeschlossen und dankbar die Kinder sind, wenn er ihnen etwas vorspielt. Hinterher bekommt er viele Rückmeldungen. Einige Kinder schreiben ihm, dass sie selbst angefangen haben, Cello zu spielen, was ihn sehr freut.
Es sollte selbstverständlich sein, dass jedes Kind ein Instrument lernen kann.
Mit seiner Begeisterung für Musik steckt der Cellist nicht nur Schulklassen an. Auch seine Meisterkurse, die er gern am Vortag eines Konzerts gibt, sind unter Musikstudenten heißbegehrt. Das Unterrichten liegt ihm. Selbst Professor an einer Musikhochschule zu werden und eine eigene Celloklasse zu leiten, kann sich Daniel Müller-Schott allerdings nicht vorstellen. Jedenfalls nicht im Moment. "Es ist eine große Verantwortung, und man muss für die Studenten die nötige Zeit zur Verfügung haben. Mit meinen vielen Konzertreisen und jetzt auch einer jungen Familie ist der Zeitpunkt noch nicht reif."
Sendung: "Leporello" am 4. November 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK