Im 18. Jahrhundert, 100 Jahre nach der endgültigen Bedrohung der Stadt Wien durch die Türken (und vor dem letzten Türkenkrieg Kaiser Josephs II 1788/89), gab es in Österreich eine regelrechte "Turkomanie": Das Wiener Publikum liebte die Musik der Janitscharenkapellen. Mozart nutzte dieses Faible für seine Kompositionen. "Alla Turca" heißt der letzte Satz seiner A-Dur-Klaviersonate KV 331. Und der hat diese Komposition so berühmt gemacht. Was noch alles in der Sonate steckt, darüber hat Ilona Hanning mit dem Pianisten Justus Frantz gesprochen.
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Meistens kommt es anders als man denkt. Zumindest bei Wolfgang Amadeus Mozart. Seine Sonate in A-Dur, KV 331, ist eigentlich keine Sonate, weil sie nicht den formalen Aufbau einer klassischen Sonate der Mozartzeit hat. Und genau dies macht sie so einzigartig. Es beginnt schon mit dem ersten Satz. Hinter der Bezeichnung "Andante grazioso" verbirgt sich ein Thema mit sechs Variationen. Schlicht, fast volksliedartig und doch elegant gibt sich das Thema - einfach und doch mit Tiefgang, berührend. Es ist schwierig, Mozarts Einfallsreichtum bei seinen Melodien mit Worten zu beschreiben. Der Pianist Justus Frantz nähert sich dem über die Quellen: "Das Thema soll nach einer Ossiacher Liederhandschrift geschrieben sein, wenn ich es richtig erinnere, in der es im Text ungefähr so heißt: 'Freu dich mein Herz, leb Deinen Schmerz.' Und das ist die Ambivalenz, die Mozarts Größe ausmacht und in der sich seine Musik auch immer wieder verjüngt", sagt der Pianist. In den nachfolgenden sechs Variationen spielt Mozart nicht nur gekonnt mit diesem Thema, er zeigt auch seine ganze Raffinesse im Umgang mit Affekten.
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Elegante Themenverarbeitung
Bildquelle: picture alliance/Eventpress Die erste Variation beginnt mit eleganten Umspielungen des Themas in der rechten Hand, um dann in einen rustikalen, durch Oktaven und Tonrepetitionen bestimmten Tonfall umzuschwenken. Diese Kontraste hört man auch in der zweiten Variation: Jetzt schreibt Mozart zunächst eine figurative Auszierung des Basses, die dann die rechte Hand übernimmt, begleitet von Oktavsprüngen im Bass mit zusätzlichen Vorschlägen. Die dritte Variation, die einzige Moll-Variation, wird bestimmt von fließenden Sechzehnteln in beiden Händen. Die Melodie gleitet unauffällig elegant vorwärts, manchmal zusätzlich verstärkt durch Oktavgänge. Und während die vierte Variation von Terzbewegungen in der rechten und Oktaven in der linken Hand bestimmt wird, ist die Variation Nr. 5 wieder ein Lehrstück der eleganten geschmackvollen Veränderung des Themas. Die schnelle letzte Variation nimmt dann schon eindeutig Bezug zum Finale dieser Sonate.
Dieses Menuett ist etwas ganz Unglaubliches.
Ein Thema, sechs Variationen: eine ungewöhnliche Eröffnung einer Klaviersonate zu Mozarts Zeit. Dennoch nicht ganz unbekannt, denn vor Mozart hat Carl Philipp Emanuel Bach dies auch schon praktiziert. Trotzdem, für das Wiener Publikum war dies eine Neuigkeit. Nach diesem schon ungewöhnlichen Anfang geht es ungewöhnlich weiter. Es folgt kein langsamer Satz, sondern ein Menuett. Aber kein gewöhnliches, meint Justus Frantz: "Mozart hat keinen echten langsamen Satz geschrieben, er hat langsame Variationen geschrieben; also der Kopfsatz beinhaltet einen langsamen Satz und hat einen schnellen Kehraus mit der letzten Variation. Darauf folgt eigentlich das typische Menuett, nur eben übersteigert, zu einem fast sonatensatzartigen Gebilde. Es ist einfach ausladender als die Menuette, die er in seinen Symphonien geschrieben hat, und man kann sogar, wenn man genau hinhört, so etwas wie eine kleine Durchführung in dem Menuett erkennen. Das ist etwas ganz Unglaubliches - wirklich einzigartig und schön."
Alle Höfe hielten sich damals Janitscharenkapellen und wetteiferten miteinander.
Komplexität zeichnet dieses Menuett aus - ob in der Struktur, im rhythmischen, motivischen oder ornamentalen Bereich. Und obwohl es so ungewöhnlich ist, wurde doch das Finale der Sonate am berühmtesten, denn Mozart ging hier ganz mit der Mode der Zeit. "Der letzte Satz ist dieser typische "Alla Turca"-Stil der Janitscharenkapellen, der so beliebt war damals", erläutert Justus Frantz. "Alle Höfe hielten sich Janitscharenkapellen und wetteiferten miteinander, wer nun die beste türkische Kapelle hatte. Kaum waren die Türken also besiegt, wurden der Kaffee und eben die türkische Musik plötzlich populär." Pointiert wird das türkische Kolorit dann vor allem am Schluss des letzten Satzes, wo Mozart nochmals die Trommeln und exotischen Becken der Janitscharenkapellen imitiert und auf diese Weise die Sonate mit einem sehr farbigen Schluss versieht.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Klaviersonate A-Dur, KV 331 "Alla Turca"
Justus Frantz (Klavier)
Label: Eurodisc
Sendung: "Das starke Stück" am 16. Januar 2018, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK