Der tschechische Geiger František Ondříček hebt das Violinkonzert von Antonin Dvořák aus der Taufe. Ein Riesenerfolg! Und doch – hätte es nicht eigentlich der Widmungsträger spielen sollen? Der "große Meister Joseph Joachim", für den auch Brahms und Bruch schon wichtige Konzerte komponiert haben?
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"In tiefster Hochachtung", steht in der Partitur, aber Joachim hat bis jetzt nur an einer Probe in der Berliner Musikhochschule teilgenommen, um Änderungen vorzuschlagen. Er ist seit Jahren nicht glücklich mit dem Solopart – obwohl Antonín Dvořák die Partitur ihm zuliebe immer wieder geändert hat. Beim ersten Mal sogar von Grund auf! Vier Jahre ist das jetzt her.
Damals war Dvořák der Bitte seines Verlegers Fritz Simrock nach einem "originellen und kantilenenreichen" Violinkonzert nachgekommen, hatte während der Sommerferien in kürzester Zeit die erste Fassung fertiggestellt und direkt an Joachim weitergeleitet. Mit der Bitte um konstruktive Kritik. Die Folgen hätten nicht gravierender sein können:
Auf Joachims Wunsch habe ich das ganze Konzert umgearbeitet, nicht einen einzigen Takt habe ich behalten. Das ganze Konzert bekommt jetzt eine andere Gestalt.
Joseph Joachim Geiger, Dirigent, Komponist | Bildquelle: picture alliance/akg-images Zusätzliche Themen, eine neue Konzeption mit neuer Durchführung, Änderungen in Harmonik, Instrumentation und Rhythmus: Doch auch die zweite Fassung fand bei dem Geigenvirtuosen keine Gnade, im Gegenteil. Diesmal hüllte sich Joachim sogar für zwei Jahre in Schweigen, ehe er verlauten ließ, er erfreue sich zwar an vielen Schönheiten, müsse aber gestehen:
"In aller Aufrichtigkeit … dass ich das Violin-Concert in seiner jetzigen Gestalt noch nicht reif für die Öffentlichkeit halte, hauptsächlich der überaus orchestralen, dicken Begleitung wegen, gegen welche auch der größte Ton nicht aufkommen würde."
Dvořák nimmt wieder den Stift in die Hand. Nur an seiner ungewöhnlichen Konzeption hält er fest. Er weiß, was er will: Keine Orchesterexposition und keine Solokadenzen als Selbstzweck, im ersten und dritten Satz eine Mischung aus Sonatensatz und Rondoform mit slawisch geprägten Themen und tschechischen Volkstanzrhythmen und dazwischen – in direkter Überleitung – ein Adagio von volksliedhafter Schwermut.
Joachim muss zugeben: eine Komposition von "sehr violinenkundiger Hand"! Und doch wird er das Konzert nie öffentlich spielen. Den überwältigenden Beifall bei der Wiener Erstaufführung darf wieder der 26-jährige Ondříček entgegennehmen.
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