Orchestermusikerinnen haben die Qual der Wahl: Für jeden Konzertabend müssen sie sich ein anderes Outfit überlegen. Bei den Männern hingegen ist die Sache klar: Sie tragen Frack, Fliege, Kummerbund. Ein neuartiges Designkonzept der Hochschule Pforzheim könnte frischen Wind in die Garderoben der deutschen Orchester bringen: Gemeinsam mit Musikerinnen der Badischen Philharmonie haben Studierende Entwürfe für einheitliche weibliche Konzertkleidung entwickelt.
Bildquelle: © Olga Pfeifle
Wenn man mit Musikerinnen des Münchener Kammerorchesters spricht, wird schnell klar: Sie sind eigentlich ganz froh, dass sie sich ihr Konzertoutfit selbst aussuchen dürfen und nicht wie die Männer Frack und Fliege tragen müssen. "Viele Männer klagen auch über den Frack, der einengt oder im Sommer auch sehr warm ist. Da haben wir einfach noch das Glück, dass das bei uns ein wenig lockerer gehandhabt wird", sagt Oboistin Julia Ströbel-Bänsch.
Einige Vorgaben jedoch müssen auch Orchestermusikerinnen erfüllen: "Spaghettiträger oder ganz ohne Träger, das kommt nicht so gut", meint Julia Ströbel-Bänsch. "Das passt auch wirklich nicht sehr gut zu einem Frack oder zu einem Anzug", bestätigt Cembalistin Olga Watts. Ebenfalls unpassend: "Zu kurze Kleider tragen. Lang, festlich, das passt immer. Es können selbstverständlich auch Hosenanzüge getragen werden." Selbst bei der Vorgabe "schwarz und lang" – bei den meisten deutschen Orchestern so gewünscht – gibt es immer noch viele Interpretationsmöglichkeiten. Warum also einigt man sich nicht auf ein einheitliches Outfit?
Bildquelle: © Olga Pfeifle Die Musikerinnen des Münchener Kammerorchesters sind da erstmal skeptisch: "So eine Einheitskleidung müsste so geschnitten sein, dass Frauen, ob sie groß, klein, schmal oder nicht so schmal sind, gut darin aussehen können. Dass keiner sich eingezwängt oder unwohl fühlt auf der Bühne", so Julia Ströbel-Bänsch. Olga Watts fügt hinzu, dass die Kleidung möglichst knitterfrei sein müsse, weil man auf Reisen oft kein Bügeleisen zur Hand habe. Der Stoff sollte nicht zu dick sein, denn auf der Bühne sei es wegen der Scheinwerfer immer sehr heiß. Außerdem dürfe das Outfit auch nicht einengen, sondern müsse Bewegungsfreiheit gewährleisten. Viele Anforderungen also – die Fakultät für Design an der Hochschule Pforzheim hat sich mit diesen ganzen Kriterien auseinandergesetzt und gemeinsam mit Musikerinnen der Badischen Philharmonie Entwürfe für eine einheitliche "weibliche" Konzertkleidung entwickelt. Mehrere Studierende haben ihre Projekte vorgestellt. Gewonnen hat der Entwurf für einen "Damenfrack".
Bildquelle: © Werth Mühleiß
"Der realisierte Damenfrack ist eine Kombination aus einem klassischen Frack und einer Weste" erklärt die zuständige Professorin Claudia Throm. "Im Vorderteil verschmelzen beide Kleidungsstücke zu einer Einheit, teilen sich aber ab der Seite und im Rücken wieder in zwei separate Teile, was eine deutlich bessere Beweglichkeit und besseren Tragekomfort gewährleistet als ein klassischer Frack. Geplant wäre die Umsetzung für das Orchester in einer atmungsaktiven Funktionsfaser, die optisch aber an einen klassischen Baumwollstoff erinnert. Der Siegerentwurf besteht nicht nur aus einem Frack, sondern einem durchdachten Designkonzept bestehend aus Hose, Frack, Top und Kleid, welche alle dem gleichen ästhetischen Prinzip folgen, aber unterschiedlichste Outfit-Kombinationen ermöglichen und gleichzeitig das Orchester als Einheit erscheinen lassen."
Die Orchestermusikerinnen des Münchener Kammerorchesters sind begeistert, als sie von dem Frack erfahren. Der große Vorteil dieses Kleidungskonzepts: Man muss sich nicht jedes Mal aufs Neue überlegen, was man am Abend zum Konzert anzieht. Tragen die Musikerinnen der Badischen Philharmonie den Damenfrack mittlerweile? Claudia Throm antwortet: "Das Projekt war ja vor allem zur Ideenfindung und als Pilotprojekt gedacht. Aber ich weiß, dass einige der Musikerinnen so begeistert von den Entwürfen waren, dass sie bereits die Prototypen erworben haben und nun einem Praxistest unterziehen."
Wir scheinen mit diesem Projekt den Nerv der Zeit getroffen zu haben.
Inwiefern die Designs tatsächlich als einheitliche Konzertkleidung umgesetzt werden können, ist im Moment noch nicht absehbar. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre die Badische Philharmonie Pforzheim der erste Klangkörper in Deutschland, der diese Art Berufsbekleidung für seine Musikerinnen einsetzt. Das Designteam und große Teile des Klangkörpers sind aber nach wie vor hoffnungsvoll, dass einer der Entwürfe demnächst realisiert wird. Wenn nicht in Pforzheim, dann vielleicht mit einem anderen Orchester: "Wir scheinen mit diesem Projekt jedenfalls den Nerv der Zeit getroffen zu haben."
Sendung: "Allegro" am 25. September 2018, 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK