Aus Abscheu gegen die nationalsozialistische Politik verzichtete er auf seine glänzend gestartete Karriere im deutschen Musikleben. Doch mit der zwingenden Kraft seines Musizierens bezauberte er längst ein internationales Publikum. Am 8. August 1891 wurde der Geiger, Kammermusiker und Komponist Adolf Busch geboren.
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"Aus meinem Haus fliegst du raus. Für solche Menschen habe ich kein Verständnis." Mit diesen Worten wurde Hubert Giesen, der junge, damals noch unbekannte Pianist, von Adolf Busch, dem bereits international renommierten Künstler, abgekanzelt. 1925 hatte Hubert Giesen in schwierigsten wirtschaftlichen Verhältnissen eine Handelsvertreterstelle angenommen und nutzte nun die Gelegenheit, mit seinem komfortablen Auto bei der Familie Busch in Darmstadt vorzufahren und ihr nach Jahren einen Besuch abzustatten. In seiner Autobiografie beschreibt Giesen, der eher mit einem herzlichen Willkommen gerechnet hatte, wie Adolf Busch ihn empört zur Rede stellte: "Du hast die Frechheit, hierherzukommen und mir ins Gesicht zu sagen, dass du ein schäbiger Vertreter geworden bist, der im Auto herumfährt und Handschuhe verkauft. Weißt du, dass wir dich für eines der wenigen Talente gehalten haben, die wir noch haben – und dann gehst du einfach von der Musik weg und wirst Händler." Schließlich einigte man sich auf Folgendes: Giesen würde auf der Stelle sein Auto verkaufen, mehrere Monate ausschließlich mit Klavierüben verbringen und dann als Begleiter von Adolf Busch ein Konzert in Rom spielen, das ihm die Rückkehr in den Konzertbetrieb ermöglichen würde. Diese Anekdote verdeutlicht den Charakter des Geigers, dessen Lauterkeit und Prinzipientreue sowohl als Interpret wie auch in seinen Lebensentscheidungen bis heute als beispielhaft gilt.
"Dein Vater ist ein Esel, ich bin ein Esel. Adolf ist in Heiliger" rief Arturo Toscanini nach einem Bericht von Hans-Peter Busch, Fritz Buschs Sohn. Niemanden schätzte der italienische Maestro als musikalische Kapazität mehr als Adolf Busch. In seiner gradlinigen, unprätenziösen Musizierhaltung, die jeden Effekt ablehnte, aber keine Kompromisse bei der Umsetzung der Partiturvorschriften einging, war Toscanini den Busch-Brüdern wesensverwandt. Und in ihrer strikten Ablehnung des Faschismus waren sie sich ohnehin einig.
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Adolf Busch - Gemälde von Alfred Heinrich Pellegrini | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch dreieinhalbjährig mit Violine | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Das Busch-Quartett Adolf Busch, Gösta Andreasson, Hermann Busch und Karl Doktor (ca. 1930) | Bildquelle: Robert Spreng | Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch, Rudolf Serkin, Arturo Toscanini und Frieda Busch diskutieren auf einer Terrasse (1936) | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch im Garten bei Ottocaro Weiss an der Staffelei | Bildquelle: Ottocaro Weiss | Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch komponiert im Freien | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch und Rudolf Serkin musizierend, 1928 | Bildquelle: Böhm-Willott | Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch als Solist unter Arturo Toscanini; Luzern 1939 | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Fritz (mit Zigarre) und Adolf Busch am Flügel bei Spemanns, Stuttgart 1919 | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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NN, Hermann Wiebel, Adolf Busch, Max Reger, Hermann Dettmer, Fritz Busch, Marie Dettmer und Paul Grümmer beim Max-Reger-Abend, Bad Pyrmont 1912 | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch mit Rudolf Serkin | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch mit Rudolf Serkin, New York 1945/46 | Bildquelle: Lucien Aigner | Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Kammerorchester Adolf Busch mit Rudolf Serkin vor einer Häuserwand, Hayes bei London 1935 | Bildquelle: Archiv des BR
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Adolf und Hermann Busch mit Rudolf Serkin vor einem Haus, Genf 1936 | Bildquelle: F. H. Jullien | Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf Busch und Rudolf Serkin in einer Bibliothek probend | Bildquelle: Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
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Adolf und Hermann Busch im Arbeitszimmer, Riehen 1932 | Bildquelle: Elbo | Max-Reger-Institut, Karlsruhe / BR
Was für eine Familie: Fritz, der älteste: Dirigent. Adolf: Geiger, Komponist und Gründer des seinerzeit führenden deutschen Streichquartetts. Willi: Schauspieler. Hermann: Cellist. Heinrich: Pianist und Komponist. Aus dem reichen Sammelsurium an Instrumenten im Elternhaus suchten sich die Kinder, was ihre Neugier weckte, erste "Bühnen"-Erfahrungen sammelten sie in Tanzkapellen, zu denen sie der Vater mitnahm. In solch einer Atmosphäre wuchs Adolf auf und erwarb sich ein umfassendes musikalisches Rüstzeug für seine spätere akademische Ausbildung.
Ich bin ja weniger ein Geiger, als ein Musiker, der die Geige spielt.
Wer heute Aufnahmen von Adolf Busch hört, wird sich womöglich über die eine oder andere Unebenheit in den rein instrumental-mechanischen Abläufen wundern. Adolf Busch machte in einer Zeit Karriere, in der die Geigentechnik sich rasant fortentwickelte. Vor allem die russische Geigenschule, die besonders durch die Meisterschüler aus Leopold Auers Klasse in St. Petersburg, allen voran Jascha Heifetz und Nathan Milstein, Furore machte, setzte neue Standards. Ein brillanter, "großer Ton" und unerschütterliche Technik wurde zum Erkennungszeichen junger, erfolgreicher Virtuosen. Dem Ziel, sich unter jeden Umständen in großen Sälen gegen groß besetzte Orchester durchzusetzen, wurden Feinheiten der klanglichen Gestaltung und eine ausdifferenzierte Artikulation dabei nur zu oft geopfert.
Adolf Busch verkörpert einen anderen Musiker-Typus. "Tonschönheit" ist bei ihm kein Selbstzweck. Phrasierung, Artikulation und Feinagogik sind die Mittel, mit denen der Musiker Töne zu einer verständlichen Sprache formt. Und wohl kaum ein Geiger meißelt die musikalischen Figuren plastischer heraus, bringt die musikalische Aussage eindringlicher zu Gehör als Adolf Busch. Der alte deutsche Stil mit seinen weniger auf Brillanz als auf Gesanglichkeit gerichteten Portamenti und ein sehr bewusster Vibrato-Einsatz, der von fast starrer Tongebung bis zu einem breiten, eher langsam ausformulierten Vibrato reicht, gehen bei ihm eine eigentümliche Verbindung mit unerbittlicher Strenge in der Phrasierung und einem Gestaltungswillen ein, der keine Rücksicht darauf nimmt, wie bequem etwas auf der Geige herauszubringen ist. Das Ergebnis ist zu Herzen gehend - zum Beispiel in Franz Schuberts Fantasie C-Dur.
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Franz Schubert
Fantasie für Violine und Klavier C-Dur, D 934 (op. post. 159)
"Was kümmert mich seine elende Fidel, wenn der Geist aus mir spricht?" Beethoven soll diese Worte an Ignaz Schuppanzigh gerichtet haben, der mit seinen Quartettkollegen die späten Beethoven-Streichquartette uraufführte und mit Spielvorgaben des Komponisten kämpfte, die bisweilen über die Möglichkeiten der Streichinstrumente hinauszugehen schienen.
Das Busch-Quartett nimmt Beethoven beim Wort. Es klingt, was geschrieben steht. Die Tempi sind im Schnellen wie im Langsamen extrem, Stakkato-Noten sind wirklich kurz, lange Bögen endlos ausgesungen. Die reine Spielmechanik eines fragilen, aus vier Personen bestehenden Ensembles wird dabei aufs Äußerste beansprucht. Das wirkt für heutige Ohren zuweilen exzentrisch, ist aber Ergebnis unermüdlichen Ringens um die wahre Intention des Komponisten, die der Komponist in Notentext gefasst hat. Auch wenn moderne, "informierte" Beethoven-Interpretation heute zu ganz anderen Ergebnissen kommt, so basiert auch schon hier jede interpretatorische Entscheidung auf tiefer Kenntnis der kompositorischen Struktur und penibler Notentextanalyse. Ein Werk wie das späte, extrem komplizierte, sprunghafte cis-Moll Streichquartett op. 131, häufig Gegenstand intellektueller Kammermusik-Exegese, wird in der Einspielung des Busch-Quartetts intuitiv fassbar und erscheint als gleichermaßen verstörender wie rührender Schattentanz menschlicher Gefühle.
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Ludwig van Beethoven
Streichquartett cis-Moll, op. 131
Die Brüder Busch waren entschiedene Gegner der nationalsozialistischen Politik und beobachteten mit Abscheu antisemitische Gewaltaktionen. Als Adolf Buschs Schwiegersohn und Kammermusikpartner, dem jüdischstämmigen Pianisten Rudolf Serkin, 1933 die Auftritte in Deutschland verboten wurden, war es für Adolf selbstverständlich, dass auch er sämtliche Konzerte in Deutschland absagte. Seit 1927 lebte er bereits in der Schweiz, 1939 emigrierte er in die USA. Auf dem amerikanischen Musikmarkt war es für einen Künstler wie ihn schwer, sich durchzusetzen. Mit seinem Kammerorchester, den Busch Chamber Players, brachte er Werke wie die Bach’schen Orchestersuiten und die Brandenburgischen Konzerte in die Konzertsäle der Neuen Welt. Und gemeinsam mit Rudolf Serkin und Hermann Busch gelang es ihm, eine Lehrstätte zu errichten, in welcher der Musiziergeist der Busch-Brüder bis heute weitergetragen wird – das Marlboro Music Festival nahe Buschs letztem Wohnort im Bundesstaat Vermont. Buschs offene, deutliche Kritik an den Nationalsozialisten und der Verzicht auf eine Karriere unter ihrer Diktatur verfehlten ihre Signalwirkung nicht; so schrieb ihm Albert Einstein im August 1933: "Wenn ein größerer Teil der deutschen Intellektuellen Ihr moralisches Format hätte, so wäre den Deutschen die Erniedrigung erspart geblieben, unter der sie heute leiden."