Wien, 18. Juli 1922. Georg Kreisler wird geboren. Etikettierungen, Kategorisierungen, Ideologisierungen schätzte Kreisler zeit seines Lebens nicht. Regeln zu setzen war dem jüdischen Rechtsanwaltssohn suspekt, sie zu brechen sympathisch. Und Motivation, Behaglichkeit und Idylle auf den Nerv zu fühlen, und bei drohendem Übermaß die Scheinheiligkeit dahinter zu entlarven.
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Georg Kreisler weiß früh, was er will: "Sehr strenge Erziehung. Einziges Kind. War sehr früh entschlossen, Musiker zu werden. Ich lernte Klavier und Violine spielen, daneben Musiktheorie. Da ich außerdem noch auf das Realgymnasium ging, war ich überbelastet. Durchschnittsschüler. Faul. Als ich knapp 16 Jahre war, machte Hitler meinem sechzehnstündigen Arbeitstag ein Ende."
Mein Verhältnis zu Wien ist von keiner starken Emotion geprägt.
Was folgt, ist zunächst die Emigration nach Hollywood, die Arbeit als musikalischer Berater, Dirigent und Arrangeur. In New York erarbeitet sich Kreisler seinen unverkennbaren Stil, die "TragiGroteske", gespickt mit schwarzem Humor. Zurück in Europa und Wien, nach dem Krieg, hat der Liedermacher und Musikkabarettist damit beim Publikum Erfolg. Offiziell eckt er an, seine Lieder wie "Tauben vergiften im Park" werden im Rundfunk verboten. Distanziert bleibt Kreisler zu seiner Heimat zeitlebens: "Mein Verhältnis zu Wien ist von keiner starken Emotion geprägt. Es ist also weder Liebe noch Hass noch Hassliebe, sondern gar nichts!"
Telefonbuchpolka und Musikkritiker hin oder her: Zentrales Thema des unermüdlich den Finger in die Wunde legenden, politischen Liedermachers mit amerikanischem Pass und Freude an der fein ziselierten Widerborstigkeit bleibt der Tod: "Tod spielt in jedem menschlichen Leben eine große Rolle. Mit dem Tod geht es nämlich irgendwann zu Ende. Ich glaube, es gibt keinen Künstler, der darum herumkommt, über den Tod an sich nachzudenken." Gegen Ende seines Lebens dichtete Kreisler: "Ich bin jetzt alt und sterbe bald. Die Behörden können mir nichts mehr tun, denn ich bin reif und wanke steif ins Irgendwo, mich auszuruhn." Das tut Georg Kreisler seit dem 22. November 2011. Ob er wirklich ruht, sei dahingestellt…
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Georg Kreisler - Taubenvergiften
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Sendung: "Allegro" am 18. Juli 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK