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Der Pianist Jewgenij Kissin "Ich brauche mehr Zeit für mich"

Früher wurde Jewgenij Kissin als Wunderkind gefeiert. Heute sagt der Pianist, er fühle sich "innerlich gereifter". Am Samstag tritt er in der Münchner Philharmonie auf - sein letztes Konzert in Bayern vor einem geplanten Sabbatical.

Der Pianist Jewgenij Kissin  | Bildquelle: Sasha Gusov

Bildquelle: Sasha Gusov

BR-KLASSIK: Herr Kissin, Sie sind als Wunderkind international berühmt geworden. Heute sind Sie Mitte 40. Was ändert sich durch das Älterwerden beim Musizieren?

Jewgenij Kissin: Wenn ich mich zum Beispiel wieder mit einem Stück aus meinem Repertoire beschäftige, das ich schon viele Jahre nicht mehr gespielt habe, dann kommt es mir vor, als würde ich es genauso "angehen" wie Jahre zuvor auch schon. Aber dann höre ich meine alten Aufnahmen und merke, dass ich es jetzt doch, naja, besser spielen kann. Offenbar habe ich mich also verändert - gar nicht so sehr meine Grundeinstellung zur Musik. Eher, dass ich noch mehr von mir einfordere, um noch mehr zu bieten.

BR-KLASSIK: Das "Besser", was Sie ansprechen, betrifft vermutlich nicht die Technik, sondern eher einen Prozess des "Inneren Reiferwerdens", oder?

Jewgenij Kissin: Ja, natürlich, genau!

Es gibt noch so viele Orte, die ich erkunden möchte.
Pianist Jewgenij Kissin über seine geplante Auszeit

BR-KLASSIK: Sie hatten sich mal vor Jahren eine Auszeit genommen. Hatte das auch mit dem inneren Reifungsprozess zu tun, der braucht ja Raum und Zeit?

Jewgenij Kissin: Ich wollte einfach mehr Zeit haben, und zwar sowohl für das Klavierspielen als auch für andere Dinge: mein Repertoire erweitern, aber auch Bücher lesen und reisen. Es gibt noch so viele Orte, die ich erkunden möchte. Ich möchte eben einfach mehr Zeit für mich haben. Diese Saison ist es ähnlich. Ich arbeite sehr eng mit der Carnegie Hall zusammen. Die Saison habe ich mit einer drei Monate lang andauernden Serie an Konzerten eröffnet, quer durch alle Besetzungen und mit unterschiedlichstem Repertoire: Recitals, Solo mit Orchester und Kammermusik. Und im Mai beende ich die Saison auch, zusammen mit James Levine und dem Orchester der New Yorker Met. Es ist und wird also ziemlich hektisch, und ich habe erkannt, dass ich danach eine längere Pause brauche. Deshalb habe ich mich entschieden, nächste Saison eine Auszeit, ein Sabbatical, zu nehmen.

BR-KLASSIK: Fällt es Ihnen eigentlich leicht, Musik zu spielen?

Jewgenij Kissin: Ja, für mich war es immer schon klar, Musiker zu werden. Ich kann mich auf jeden Fall nicht erinnern, mich jemals bewusst dafür entschieden zu haben. Schon als Kleinkind liebte ich das Klavierspielen am meisten und niemals hat mir das Musikmachen ein Gefühl der Schwere gegeben.

Das Üben ist eine kreative Arbeit, das macht sie so wundervoll, ganz gleich, wie hart sie auch sein mag.
Jewgenij Kissin

BR-KLASSIK: Obwohl das Üben ja durchaus als Arbeit empfunden werden kann…

Jewgenij Kissin: Es verlangt viel Arbeit, und es kann sehr erschöpfend sein, klar. Aber es ist auch unglaublich befriedigend, eine wundervolle Art von Arbeit. So gesehen darf ich mich sehr glücklich schätzen - es ist eben eine kreative Arbeit, das macht sie so wundervoll und angenehm, ganz gleich, wie hart sie auch sein kann.

BR-KLASSIK: Sie spielen im Programm auch unbekannte spanische Musik, von einem gewissen Joaquin Larregla. Was ist das für Musik? 

Jewgenij Kissin: Es ist sehr heitere, fröhliche Musik, sehr spanisch. Ich selbst habe das Stück erst vor ein paar Jahren kennengelernt. Als ich durch Spanien tourte, gab mir jemand die Noten. Zu Hause schaute ich sie mir an, spielte sie und legte sie für ein paar Jahre wieder zur Seite. Als ich dann entschied, ein Programm zu spielen mit spanischer Musik, war klar, dass dieses Stück perfekt für den Ausklang des Konzerts ist.

Spanische Musik lag mir schon immer am Herzen.
Jewgenij Kissin

BR-KLASSIK: Was hat Sie denn zur Entscheidung gebracht, spanische Musik in ein Programm aufzunehmen?

Jewgenij Kissin: Ich habe sie immer schon geliebt, mein ganzes Leben lang. Spanische Musik, und die von Albeniz im Besonderen, lag mir schon immer am Herzen. Ich kann nunmal nicht alles gleichzeitig spielen, die Klavierliteratur ist so riesig. Ich kann nur hoffen, dass ich lang genug lebe, um alle Meisterwerke spielen zu können. Aber spanische Musik ist keine Neuentdeckung für mich, ich spiele und liebe sie schon seit meinen Jugendjahren.

Das Gespräch führte Elgin Heuerding für BR-KLASSIK.

Jewgenij Kissin zu Gast in München

Samstag, 27. Februar 2016, 20 Uhr
München, Philharmonie im Gasteig

Wolfgang Amadeus Mozart: Sonate C-Dur KV 330
Ludwig van Beethoven: Sonate f-Moll op. 57
Johannes Brahms: Drei Intermezzi op. 117
Isaac Albeniz: Granada, Cadiz, Córdoba, Asturias
Joaquin Larregla: Viva Navarra!

Jewgenij Kissin, Klavier

Mehr Informationen zum Konzert finden Sie hier.

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