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Jörg Widmann – Meine Playlist So klingt die Lieblingsmusik des Multitalents

In Beethovens Siebte hat er sich "verliebt", für Miles Davis-Konzerte gab er sein letztes Taschengeld aus. Jörg Widmann ist besessen von Musik – und verfügt über viele Talente: Er spielt Klarinette, er dirigiert, er komponiert. Für BR-KLASSIK hat er eine Playlist mit seinen Lieblingsaufnahmen zusammengestellt.

Jörg Widmann - Komponist, Dirigent, Klarinettist | Bildquelle: © Marco Borggreve

Bildquelle: © Marco Borggreve

#1 Magier am Pult – Carlos Kleiber dirigiert den "Freischütz"

Der Dirigent Carlos Kleiber ist für Jörg Widmann einer der Größten überhaupt. Und die "Freischütz"-Ouvertüre hat er oft und gern dirigiert. "Die Einspielung mit der Staatskapelle Dresden ist die Aufnahme schlechthin", findet Widmann. "Der Anfang ist eigentlich gar nicht spielbar. Da sollen alle Holzbläser aus dem Nichts beginnen. Aber selbst der tollste Oboist der Welt kann gar nicht auf dem tiefen C aus dem Nichts anfangen." Kleiber entlockt seinen Musikern trotzdem diese unglaublich leisen Anfangstöne. Jörg Widmann, selbst Dirigent, schwärmt: "Das ist für mich Kleiber! Wenn der dirigierte, mit seinen fließenden Bewegungen, dann flog er wie ein Vogel und erzeugte eine Magie wie nur ganz wenige Dirigenten."

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Carl Maria von Weber Der Freischütz Ouvertüre Staatskapelle Dresden Carlos Kleiber | Bildquelle: ludwigderzwote (via YouTube)

Carl Maria von Weber Der Freischütz Ouvertüre Staatskapelle Dresden Carlos Kleiber

#2 Eine harmonische Wundermusik – Mozarts "Così fan tutte"

Das Terzett "Soave sia il vento" aus der Mozart-Oper "Così fan tutte" wurde vielfach aufgenommen. In Jörg Widmanns Lieblingsaufnahme singen Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig und Walter Berry. "Die Sänger machen so unglaublich viel aus. Wenn die Musik auch nur einen Hauch zu laut gesungen wird, verliert sie ihre Intimität. Und trotzdem muss der Klang intensiv bleiben." Für Jörg Widmann ist das Terzett der Höhepunkt der gesamten Oper. Da er selbst Komponist ist, kann er sich besonders für Mozarts ungewöhnlichen harmonischen Einfälle begeistern. "An einer Stelle denkt man, das müsste so und so enden. Aber dann kommt das Wort Verlangen. Mozart hat da eine irrsinnige, unerhörte Harmonie komponiert, die durch Mark und Bein geht. Es hätte ein Fehler sein können, aber da kommt die Stelle erneut und wieder rastet es in dieser Harmonie ein. Eine Wundermusik!"

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Così fan tutte, K. 588, Act 1 Scene 6: No. 10, Terzettino, "Soave sia il vento" (Fiordiligi,... | Bildquelle: Elisabeth Schwarzkopf - Topic (via YouTube)

Così fan tutte, K. 588, Act 1 Scene 6: No. 10, Terzettino, "Soave sia il vento" (Fiordiligi,...

#3 Quintessenz der italienischen Oper – "Nessun dorma"

Die Arie "Nessun dorma" aus der Puccini-Oper "Turandot" steht schnell unter Kitschverdacht. Nicht für Jörg Widmann: "Ich habe Puccini verehren gelernt." Widmann bewundert, wie kreativ Puccini seine Melodien instrumentiert hat und wie stringent er schreibt. Turandot, uraufgeführt 1926, war Giacomo Puccinis letzte Oper. "Die Moderne ist nicht zu überhören, aber 'Nessun dorma' ist für mich die Quintessenz der italienischen Oper. Und welcher Interpret könnte da besser passen als der Tenor Luciano Pavarotti?"

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Luciano Pavarotti sings "Nessun dorma" from Turandot (The Three Tenors in Concert 1994) | Bildquelle: Warner Classics (via YouTube)

Luciano Pavarotti sings "Nessun dorma" from Turandot (The Three Tenors in Concert 1994)

#4 Reif für das Irrenhaus? – Beethovens 7. Symphonie

Jörg Widmann hat sich als Dirigent lange nicht an Beethovens Siebte herangewagt. "Ich hatte sie mal aufs Programm gesetzt, dann aber kalte Füße bekommen. Ich habe mich nicht bereit gefühlt für diesen Koloss." Schon in seiner Jugend hat er sich in die Symphonie "heillos verliebt", erzählt Widmann. Vor allem in das Finale. "Wie er sich festbeißt an einem einzigen Rhythmus, wirkt ja an sich schon atemlos. Dazu kommt diese schiere Kraft, die aber nie roh klingt, sondern immer edel. Es ist komponierte Ekstase!" Der Komponist Carl Maria von Weber soll über den letzten Satz der 7. Symphonie von Beethoven einmal gesagt haben: "Jetzt ist er endgültig reif für das Irrenhaus."

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Beethoven Symphony No. 7 Kilkenny Arts Festival. | Bildquelle: Irish Chamber Orchestra (via YouTube)

Beethoven Symphony No. 7 Kilkenny Arts Festival.

#5 Neue Musik par excellence – Pierre Boulez

Wenn ein Alien auf die Erde kommen und fragen würde, wie Musik im 20. Jahrhundert geklungen hat, würde Jörg Widmann ihm Pierre Boulez' "Douze Notations" vorspielen. "Diese Musik ist so unerschrocken und so zukunftsgewandt: Das macht für mich Neue Musik aus." Die 12 kurzen Stücke für Klavier komponierte Pierre Boulez 1945. Später bearbeitete Boulez das Werk für Orchester unter den Titeln Notations I–IV und Notation VII.

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Boulez: Notation II / Boulez · Berliner Philharmoniker | Bildquelle: Berliner Philharmoniker (via YouTube)

Boulez: Notation II / Boulez · Berliner Philharmoniker

#6 Der mit dem Dämpfer spielt – Miles Davis

Als der Trompeter Miles Davis in München auftrat, gab der Jugendliche Jörg Widmann sein ganzes Taschengeld aus, um sich einen der besten Plätze im Konzert zu sichern. "Das erste Konzert war dann ein Schock, weil ich mit Jazz gerechnet hatte. Aber es war eigentlich ein Popkonzert." Das machte aber nichts, der junge Jörg Widmann war gepackt von Davis' Ton. "In besonderen Momenten hat er dann den Dämpfer aus der Trompete genommen. Da hatte man das Gefühl, jetzt öffnet er einem das Herz und spricht mit seiner wahren Stimme." Bis heute ist Jörg Widmann ein großer Fan von Miles Davis' Musik. Sein Lieblingsstück ist "Take it or leave it", das kann er sich 50 Mal hintereinander anhören. "Ich werde nicht daraus schlau, und ich liebe es mit jedem Hören mehr."

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Miles Davis - Take It or Leave It | Bildquelle: cartwrong (via YouTube)

Miles Davis - Take It or Leave It

Sendung: "Meine Musik" am 20. Juni 2020 ab 11.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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