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Gedächtniskonzert für John F. Kennedy Bernstein dirigiert Mahlers Auferstehungs-Symphonie

New York, 24. November 1963. Leonard Bernstein dirigiert die Zweite Symphonie "Auferstehungs-Symphonie" von Gustav Mahler. Gar nicht bescheiden, sondern wütend, düster, wuchtig gestikuliert Bernstein am Pult, verzweifelt brummen die Celli, schmerzlich weinen die Violinen. Und das amerikanische Fernsehen überträgt zum ersten Mal in seiner Geschichte eine komplette klassische Symphonie live im Fernsehen.

Bildquelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Charles Harrity

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Zwei Tage zuvor, am 22. November, bereitet Leonard Bernstein in New York ein Jugendkonzert vor und John F. Kennedy wird in einer Cabrio-Limousine durch Dallas gefahren. 50 Städte in Texas in nur zwei Tagen will Kennedy besuchen. In Dallas ist es sonnig und warm, viele Menschen sind gekommen, um Kennedy live zu erleben. Viele haben sich hübsch angezogen. Kennedy schüttelt Hände, wirkt nahbar und freudig. Bis Kennedy plötzlich zusammensackt. Getroffen von Schüssen in den Kopf und den Nacken. Als Bernstein davon erfährt, will er zunächst mit seiner Probe fortfahren, als ob nichts geschehen wäre: Bloß keine Emotionen aufkommen lassen. Aber das hält er nicht lange durch. Später erinnert er sich: "Ich drängte mich um das Funkgerät, um zu erfahren, ob der Schuss wirklich tödlich gewesen war". Dann kommt die traurige Nachricht. Bernstein kann die Nachricht vom Mord an seinem Freund nicht fassen.

Bernstein und Kennedy waren Freunde

John F. Kennedy und Leonard Bernstein stammen beide aus Massachusetts und haben in Harvard studiert. Dass sie sich damals schon über den Weg gelaufen sind, ist eher unwahrscheinlich. Zu Freunden werden sie, als Bernstein mit seinem Musical "West Side Story" zum gefeierten Star geworden ist. Frank Sinatra organisiert eine riesige Party am Vorabend der Ernennung Kennedys zum Präsidenten der USA. Auch Bernstein wird eingeladen und bringt statt Blumen eine feierliche Fanfare mit: optimistisch, mit Schwung und nur 45 Sekunden lang.

Kennedy – der Hoffnungsträger

John F. Kennedy | Bildquelle: picture-alliance/dpa John F. Kennedy | Bildquelle: picture-alliance/dpa Von nun an ist das Bernstein-Ehepaar häufig bei den Kennedys zum Essen eingeladen, aus offiziellen Anlässen, aber auch ganz privat. Sie sind auf einer Wellenlänge, was Humor und Bildung angeht und sie diskutieren manchmal bis spät in die Nacht. Kennedy ist ein Präsident, der sich nicht hinter Worthülsen verbarrikadiert, sondern der Visionen formuliert, der Werte vertritt und dazu gehören auch seine Liebe zur Musik und zu den bildenden Künsten. Und darum begleitet der amerikanische Präsident den Musiker Bernstein sogar bis auf dessen Klavier - wo ein signiertes Foto von Kennedy steht. Für Bernstein, und längst nicht nur für ihn, ist John F. Kennedy der Hoffnungsträger für eine neue, bessere und vor allem menschlichere Zeit. Nur 1.000 Tage bleiben Kennedy für seinen Traum.

Mahlers Musik sollte Hoffnung geben

Immer wieder wird Bernstein gefragt, wieso er ausgerechnet die "Auferstehungs-Symphonie" von Mahler für Kennedy dirigiert und kein Requiem oder den Trauermarsch aus Beethovens "Eroica". Leonard Bernstein antwortet: "Wir spielen Mahlers Zweite Symphonie nicht allein, weil wir an eine Auferstehung der Seele eines geliebten Menschen glauben. Wie spielen sie vor allem, weil in uns allen eine Hoffnung entstehen soll. In dieser Zeit des Zweifels, der Trauer, des Schocks. Sie soll uns die Stärke geben, die Ziele zu erreichen, die diesem Mann wichtig waren."

Die Musik ist unsere Antwort auf die Gewalt. Sie soll noch intensiver, noch schöner, noch bescheidener klingen als je zuvor!
Leonard Bernstein über die Zweite Symphonie von Gustav Mahler

Bernsteins Gedächtniskonzert für John F. Kennedy

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Tribute to JFK | Bildquelle: New York Philharmonic (via YouTube)

Tribute to JFK

"Kennedy-Boom" in der Musik

Kennedys Tod löst einen Boom an musikalischen Nachrufen aus. Quer durch alle Genres entstehen Werke: Igor Strawinsky schreibt die "Elegy for JFK", Bernstein komponiert ein Totengebet. Opern, Symphonien und Chorstücke machen das Attentat zum musikalischen Thema. Rock- und Popmusiker schreiben Kennedy-Songs: von Lou Reed bis zu den Beach Boys.

Eine Mahler-Trauer-Tradition

Und noch etwas löst dieses Gedenkkonzert am 24. November 1963 aus: Mit der Aufführung eines Werks von Gustav Mahler begründet Bernstein so etwas wie eine Mahler-Trauer-Tradition: Einige Jahre später dirigiert Bernstein die New Yorker Philharmoniker mit dem Adagietto aus Mahlers Symphonie Nr. 5 – beim Begräbnis von John F. Kennedys Bruder Robert. Pierre Boulez dirigierte ebenfalls Mahler, nach dem Tod von Präsident Eisenhower. Und Alan Gilbert führte die Zweite Symphonie von Mahler auf beim Gedenkkonzert zehn Jahre nach dem islamistischen Terroranschlag, der als "9/11" in die Geschichte einging.

Sendung: "Allegro" am 24. November 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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