Es ist die Sehnsucht vieler Hobby-Pianisten: eine Woche nur musizieren - ohne Ablenkung, unter Gleichgesinnten. Die Managerin Sabine, der Maschinenbau-Professor Ralph und sechs weitere Teilnehmer einer Musikreise sind dafür nach Österreich gefahren. Und haben dort erlebt, wie nah Frust und Freude oft beieinander liegen.
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Karin wollte ins Kloster, um ungestört ihrer Sucht nach Musik zu frönen. Ralph reizte der Schritt aus seinem stillen Kämmerlein auf die große Bühne eines Konzertsaals. Und Sabine suchte einfach etwas Abstand von ihrem Berufsalltag, um einzutauchen in eine andere Welt. So haben sie am Ossiacher See in Kärnten zusammengefunden: acht leidenschaftliche Hobby-Pianisten, eine Gruppe aus Fremden und Freunden, vereint für etliche Stunden aus Freude und Frust. Sechs der acht Teilnehmer waren schon mehrmals hier im Kloster Stift Ossiach. Fragt man sie, warum sie jedes Jahr wieder knapp 1.000 Euro ausgeben, um eine Woche Klavier zu spielen, antwortet jeder auf eigene Art.
"Man infiziert sich hier wie mit einem Virus", erklärt Karin, die aus Darmstadt angereist ist und schon neun Reisen des Anbieters Musica Viva mitgemacht hat. "Hier bin ich so tief in die Musik eingetaucht wie nie zuvor. Es war so, als hätte mir jemand eine Tür aufgemacht zu einem Raum, der mich seitdem immer wieder anzieht." In diesen Raum wollen natürlich alle. Doch erst einmal geht es um andere Zimmer - denn auch da ist der Andrang groß.
Man infiziert sich hier wie mit einem Virus
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Klavierreise an den Ossiacher See
Lernen Sie die Teilnehmer kennen
Für die acht Schüler gibt es drei Proberäume mit Klavier sowie den Barocksaal mit großem Yamaha-Flügel und den Unterrichtsraum. Hier finden auch die regelmäßigen Programmpunkte statt: 40 Minuten Einzelunterricht pro Tag, Vorspiel vor dem Abendessen und Gruppenunterricht am späteren Abend. Dafür tragen sich die Schüler nun in fünf Stundenpläne ein, um zu klären, wer wann und wo spielen darf. Die Pläne sind bald alle voll, denn an Eifer fehlt es hier keinem.
"Die Reisen waren ursprünglich als Freizeit mit Musik konzipiert, aber inzwischen kommen die meisten Teilnehmer, um intensiv Unterricht zu nehmen und etliche Stunden pro Tag zu üben", erzählt der Kursleiter Olaf Silberbach. Wie alle wird auch er hier nur mit seinem Vornamen angesprochen. Den Großteil des Jahres unterrichtet er an einer Musikschule in Lübeck und gibt Konzerte. Doch sein Ruf reicht so weit, dass ihn Schüler aus ganz Deutschland aufsuchen.
Olaf Silberbach, Klavierlehrer aus Lübeck | Bildquelle: Janek Schmidt, BR Auch ins Kloster in Österreich sind nun mehrere Teilnehmer vor allem seinetwegen angereist - Antje aus Bremen sogar schon zum 15. Mal. Mit seinen weiten Hosen und Hemden, dem silbernen Haar und seiner heiteren Gelassenheit scheint Olaf förmlich durch die Klostergänge zu schweben. Doch im Unterrichtsraum mit den zwei Klavieren erfasst ihn eine fokussierte Präsenz. "Ich möchte die Schüler möglichst schnell als Klavierspielerm, aber auch als Menschen verstehen", erklärt er. "So sehe ich am besten, wie ich ihnen fundiert weiterhelfen kann."
Bei Ralph, einem Maschinenbau-Professor aus Dresden, scheint das schon am ersten Tag zu funktionieren. Er ist einer der beiden Teilnehmer, die zum ersten Mal dabei sind, doch er findet sich schnell ein. Es hilft, dass die Gruppe homogen ist. Die meisten sind über 50, Bildungsbürger und voller Begeisterung fürs Klavierspielen. "Es ist toll, wie unser Trainer uns dort abholt, wo wir gerade stehen, und dann zeigen kann, wie wir von da weiterkommen", erzählt Ralph.
Daheim warte ich mit dem Spielen lieber, bis meine Frau aus dem Haus ist, die hat vom Rachmaninow inzwischen genug.
Nach 50 Jahren Pause hat er vor einem Jahr wieder mit dem Klavierspielen begonnen - und das mit hohen Zielen. Als erstes Stück wählt er gleich einen Reißer von Rachmaninow: das Präludium in cis-Moll, einen musikalischen Orkan, dessen Dynamik bis zum vierfachen Fortissimo reicht. So müssen die anderen schmunzeln, als er beim Abendessen bekennt: "Daheim warte ich mit dem Spielen lieber, bis meine Frau aus dem Haus ist, die hat vom Rachmaninow inzwischen genug."
Hier im Ossiacher Kloster bekommt so schnell niemand genug vom Klavier. Das hört man schon bei einem Rundgang durch die alten Gänge. Aus einem Saal erklingt eine Beethoven-Sonate, aus einem anderen eine Bach-Fuge, und aus dem Zimmer am Ende des Ganges tanzt einem ein Chopin-Walzer entgegen. So findet jeder Inspiration - und das Musikvirus einen fruchtbaren Boden.
Das gilt sogar für die drei gemeinsamen Mahlzeiten pro Tag. Dort entwickeln sich erste Freundschaften.
Doch vor allem dreht sich alles weiterhin um die Musik. Bald zeigt Siegfried, ein begeisterter Schachspieler und IT-Experte aus München, den anderen die besten Online-Klavierkurse. Sabine, eine Managerin aus München, erzählt vom Unterricht bei ihrem Klavierlehrer Simon Gourari - dem Vater der Konzertpianistin Anna Gourari. Und Karin, die neben ihrer Arbeit in einer Kinderhilfsorganisation Treffen und Vorspiele für Hobbypianisten organisiert, verrät, wie sie zu Hause ihr Instrument pflegt: mit einem Luftbefeuchter für ihr Wohnzimmer. Das interessiert alle, denn obwohl die Schüler nur Amateure sind, gehört für die meisten von ihnen ein eigener Flügel zum guten Ton.
Nachdem ich gehört habe, wie gut die anderen spielen, bin ich schon etwas skeptisch.
Für diese Musikbesessenheit der Teilnehmer findet Bernd die treffendste Beschreibung. Er ist es gewöhnt, sich prägnant auszudrücken, denn er leitete vor seiner Pensionierung die Duale Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach und heute dort die Kreistagsfraktion der Grünen. "Mich motiviert die Gruppe in Ossiach immer", sagt er, "denn wir sind ja lauter, im positiven Sinne, verrückte Amateure."
Ehemaliges Benediktinerkloster mit modernem Konzertsaal - das Stift Ossiach | Bildquelle: Johannes Puch, CMA Dabei teilen sie jedoch eine Angst: die vor dem öffentlichen Auftritt. Daher hat Olaf für jeden Abend ein kleines Konzert organisiert, bei dem die Teilnehmer vor den anderen auftreten können. "Nachdem ich gehört habe, wie gut die anderen spielen, bin ich schon etwas skeptisch", bekennt Ralph noch am ersten Tag. "Aber ich bin am Grübeln, ob ich es vielleicht trotzdem mal wage." Auch Siegfried, der den Leistungsdruck nicht zuletzt aus seinem Schachclub gewohnt ist, erklärt: "Mein Knackpunkt ist das Vorspielen, wo die eigene Performance meistens um ganze Stufen nach unten knallt."
Letztlich ringen sich alle zu einem Auftritt durch, auch Ralph. Und seine Performance knallt tatsächlich. Nicht "nach unten", dafür aber in der Lautstärke. Alle sind beeindruckt von seinem Mut und seiner Wucht - nicht zuletzt er selbst. "Jetzt könnte ich mich fast an ein zweites Stück von Rachmaninow wagen, von dem mir mein Lehrer daheim eigentlich abgeraten hat", sagt er. "Aber Olaf hat mich so dazu motiviert, dass ich vielleicht den Funken mitnehme und zu Hause weiterglühen lasse."
Klavier-Workshop - im Kloster Stift Ossiach in Kärnten. Voraussetzung für die Teilnahme: ein bis zwei Jahre Spielpraxis.
Intensiv-Jazzworkshop für Gitarre, Saxophon und Gesang - auf einem Bauernhof mitten in der Toskana. Der Kurs (Einzel- und Gruppenunterricht) richtet sich an fortgeschrittene Hobbymusiker, Schulmusiker oder angehende Musikstudenten.
Workshop Songwriting - bei Evian am Genfer See. Der Kurs beschäftigt sich mit der Frage: Wie schreibt man ein Lied? - und ist für Anfänger oder fortgeschrittene Songwriter, die sich selbst mit Klavier oder Gitarre begleiten können.