Er war weltweit hochgeschätzt - sowohl künstlerisch wie auch politisch. Durch seinen Aufruf zu Gewaltlosigkeit und Dialog zwischen Montagsdemonstranten und Staatsmacht im Oktober 1989 wurde Kurt Masur zur Schlüsselfigur im friedlichen Prozess der Wiedervereinigung. Am 18. Juli 2017 wäre der Dirigent 90 Jahre alt geworden.
Bildquelle: Gewandhaus/Gert Mothes
Eine Kindheit im schlesischen Brieg - die Kinder singen abends Volkslieder zum Einschlafen. Bei den Masurs steht ein Klavier im Wohnzimmer. Auch der junge Kurt Masur bekommt Klavierunterricht. Aber Musik soll nicht sein Leben bestimmen, wenn es nach dem Vater geht. Wer übernimmt denn dann das Elektrofachgeschäft? Der Ingenieurssohn macht also eine Lehre zum Elektriker: Er repariert Lampen und Bügeleisen, klettert auf Strommasten. Die praktische Arbeit macht ihm Spaß.
Später zieht es Kurt Masur dann allerdings auf die Weltbühne und nicht hinter den Tresen im Elektrogeschäft. Nach dem Krieg und gegen den Willen seiner Eltern beginnt er ein Musikstudium in Leipzig am Konservatorium. Als sich sein kleiner rechter Finger nicht mehr strecken lässt, ist der Traum von der Karriere als Organist aus. "Sie können ja noch Dirigent werden", meint der Arzt zu ihm.
Und das wird er auch: Zuerst steht er in den Gräben kleiner Opernhäuser in Halle und Erfurt, dann holt die Komische Oper Kurt Masur 1960 nach Berlin. Zehn Jahre später, nach unzähligen Opernpremieren und Symphoniekonzerten, geht er nach Leipzig. Das Gewandhausorchester will ihn als Kapellmeister. Hier wird Kurt Masur zu einem der wichtigsten Dirigenten der DDR. Ein "Dirigent der Revolution", wie die Zeitungen titeln.
Wenn man alle Menschen der Welt in einen Konzertsaal setzen könnte, würden sie zumindest für zwei Stunden friedvoll sein.
Kurt Masur bei einer Probe 2010 | Bildquelle: picture-alliance/dpa Am 9. Oktober 1989 stehen auf den Straßen von Leipzig 10.000 Demonstranten. Ihnen gegenüber: Schwer bewaffnete Soldaten und Polizisten der Staatspartei. Die Menschen sind auf das Schlimmste vorbereitet - Schützenpanzer und Blutkonserven stehen bereit. An diesem Tag gibt das Gewandhausorchester ein Konzert. Kurt Masur hat den Musikern unter die Noten den Trauermarsch aus Beethovens "Eroica" gelegt - falls es draußen Tote geben sollte.
Aber es kommt anders: Kurt Masur, Unterzeichner des Aufrufs "Keine Gewalt!", mit dem zwischen den Demonstranten und dem Regime vermittelt werden soll, ist einer der prominenten Redner, die zur Revolution ohne Blutvergießen beitragen: "Wir alle brauchen einen freien Meinungsaustausch über die Weiterführung des Sozialismus in unserem Land. Deshalb versprechen wir, unsere gesamte Autorität dafür einzusetzen, dass dieser Dialog geführt wird", spricht er in seiner Rede.
Die DDR findet schließlich friedlich zur Demokratie. Kurt Masur zieht es dann nach New York, Paris und London. Aber bis zu seinem Tod am 19. Dezember 2015 bleibt er Ehrendirigent in Leipzig. Seinen Beitrag mit Worten und Musik zur friedlichen Revolution hat man ihm nie vergessen.
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