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"Der Lindberghflug" wird uraufgeführt Ein Experiment aus der Pionierzeit des Rundfunks

Baden-Baden, 27. Juli 1929. "Der Lindberghflug" wird uraufgeführt. Gut zwei Jahre zuvor war dem amerikanischen Piloten Charles Lindbergh die erste Non-Stop-Alleinüberquerung des Atlantiks gelungen. Eine Weltsensation der modernen Technik und somit genau der richtige Stoff für ein Stück, das speziell für das moderne Medium des öffentlichen Rundfunks geschaffen wurde: "Der Lindberghflug", eine "radiophonische Kantate".

Charles Lindbergh vor seinem Flugzeug "Spirit of St. Louis" im Jahr 1927 | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Die Komposition stammte zu gleichen Teilen von Kurt Weill und Paul Hindemith, den Text schrieb Bertolt Brecht. Darin erhält nicht nur der Flieger selbst eine Stimme, sondern auch die amerikanischen Presse, die Stadt New York, der europäische Kontinent sowie Nebel, Schneesturm und Müdigkeit, mit denen Lindbergh auf seinem 33-stündigen Flug zu kämpfen hatte. Zentral ist das Gespräch des Piloten mit dem brummenden Motor – schließlich sollte nicht ein Einzelner heroisiert werden, sondern die kollektive Fortschrittsleistung der Menschheit.

Das Radio als Kommunikationsapparat

Heiß diskutiert wurde in den 20er Jahren über Beschaffenheit und Aufgaben einer radiospezifischen Musik: Sie sollte sich stilistisch an einem massentauglichen Unterhaltungsniveau und klanglich an den Möglichkeiten der damaligen Übertragungstechnik orientieren. Doch Brecht wollte mehr: Das Radio sollte kein Distributionsapparat, sondern ein Kommunikationsapparat sein: Der Hörer sollte – versorgt mit dem Aufführungsmaterial – die ausgesparte Partie des Fliegers Lindbergh übernehmen und sich somit aktiv beteiligen.

Die Erstsendung im Radio war 1930

So die theoretische Idee, die in einigen "Mitmachformaten" wie der "Volksliedsingstunde" – einer Art Karaoke mit Bildungsauftrag – eine kurzzeitige Fortsetzung fand. Allerdings wurde sie weder bei der durch Lautsprecher zum Publikum übertragenen Uraufführung des "Lindberghflugs" beim Kammermusikfest Baden-Baden umgesetzt noch bei der Erstsendung in der Berliner Funkstunde im März 1930. Es blieb ein interessantes Experiment aus der Pionierzeit des Rundfunks.

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Kurt Weill, Bertolt Brecht: Der Lindberghflug - Ozeanflug (1929, Fernsehinszenierung 1992) | Bildquelle: Lebendige Kultur - Living Culture (via YouTube)

Kurt Weill, Bertolt Brecht: Der Lindberghflug - Ozeanflug (1929, Fernsehinszenierung 1992)

Was heute geschah

Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.

Sendung: "Allegro" am 26. Juli 2023 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Donnerstag, 27.Juli, 15:24 Uhr

C.B.

Komische Kommunisten und ödes Werk

Schon irgendwie komisch, wenn sich zwei angebliche "Kommunisten" dem Gründungshype der in den Startlöchern befindlichen milliardenschweren Luftfahrtindustrie anschließen...

Kann mir keiner erzählen, dass das eine spontane Begeisterung in Paris war. So ein Megahype kann nur durch eine lange Vororganisation entstehen...

Wie dem auch sei, ästhetisch ist "Der Lindberghflug" in allen Versionen (mit und ohne Hindemith, mit und ohne Distanzierungsprolog) ein Totalflop,. Die Musik belanglos, das Libretto einfach nur lachhaft schlecht (Lindberghs Leben wäre ein interessanter Opernstoff, sehr komplex und voller Widersprüche, aber der bloße Flug von A nach B gibt nicht viel her). Kann mir nicht vorstellen, ein Mensch denkt sich am Abend: "Und jetzt habe ich Lust auf den "Lindberghflug"!" Jaja, die goldenen 20er...

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