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Buch über die Komponistin Emilie Mayer Fitkives Tagebuch füllt Leerstellen

Emilie Mayer war eine der bedeutendsten Komponistinnen des 19. Jahrhunderts – und wurde vergessen. Über ihr Privatleben ist kaum etwas bekannt. Die Autorin Gitta Martens füllt diese Leerstelle in ihrem Buch "Emilie Mayer, Componistin" mithilfe eines fiktiven Tagebuchs.

Emilie Mayer, Komponistin | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Sie kommt aus einer kleinen Stadt in Mecklenburg – die Apothekertochter Emilie Mayer. 1812 wird sie geboren. Mit zwei Jahren verliert sie ihre Mutter. Emilie ist hochmusikalisch, mit fünf Jahren darf sie Klavier lernen. Aber sie will mehr, sie will Komponistin werden. Also nimmt sie Unterricht bei Carl Loewe. Und die Karriere läuft an, sie wird eine Größe im Berliner Musikleben und weit darüber hinaus.

Fast nichts aus dem Privatleben bekannt

Anders als bei ihren Kolleginnen Clara Schumann oder Fanny Hensel wissen wir über ihr Privatleben so gut wie nichts. Das hat die Autorin Gitta Martens zum Anlass genommen, sich in das Leben dieser Emilie Mayer quasi "hineinzuschreiben" – mit Hilfe eines fiktiven Tagebuchs.

Mein neues Leben beginnt, und ich beginne es mit einem weinenden und einem lachenden Auge.
Emilie Mayer im fiktiven Tagebuch

28 Jahre alt ist Emilie Mayer, als ihr neues Leben beginnt. Gerade hat sich ihr Vater erschossen. Und sie weiß nicht, warum. Aber am Tag nach der Beerdigung wird sie die Familie verlassen und nach Stettin reisen, um bei Carl Loewe Komposition zu studieren: "Am Erfolg zweifle ich nicht."

Emilie Mayer: Eine Frau, die weiß, was sie will

Von Anfang an zeichnet die Autorin das Bild einer selbstbewussten Frau. Man braucht ein paar Seiten, um reinzukommen in diese Geschichte. Und um dieses "behauptete" Leben zum Leben der Emilie Mayer zu machen. Sätze wie "Mit meiner Musik werd ich nun die Welt zu einer besseren machen" klingen noch konstruiert und klischeebeladen. Doch allmählich kommen wir dieser Frau näher – und sind irgendwann bereit, die Tagebucheinträge als authentisch zu akzeptieren. Bei einem festlichen Ball gibt uns Emilie Mayer einen Hinweis darauf, was sie will – und was sie nicht will: "Ein sehr netter k. u. k. Schauspieler wich nicht von meiner Seite, der Herr Franz. Er machte sich aber falsche Hoffnungen."

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Komponistin Emilie Mayer war ein Freigeist und scherte sich nicht um Konventionen. Zu Lebzeiten wurde sie als "weiblicher Beethoven" bezeichnet, trotzdem geriet sie in Vergessenheit. Das ändert sich seit ein paar Jahren. Buchtipp: Barbara Beuys: "Emilie Mayer. Europas größte Komponistin. Eine Spurensuche"

War da eine Romanze mit Carl Loewe?

Buchcover "Emilie Mayer, Componistin" | Bildquelle: Barton Verlag Gitta Martens füllt in ihrem Buch über Emilie Mayer Leerstellen im Leben der Komponistin mit Hilfe fiktiver Tagebucheinträge. | Bildquelle: Barton Verlag Emilie wird nicht nur dem netten Schauspieler einen Korb geben – sie wird nie heiraten, wird keine Kinder haben. Sie lebt nur für die Musik. Männerbekanntschaften? Fehlanzeige. Kann man das glauben? Gitta Martens glaubt es nicht und serviert uns eine zarte Romanze – mit Emilies Lehrer Carl Loewe:

"'Mit niemandem kann ich so über Musik reden wie mit dir.' Dabei hielt er eine Hand hinter dem Rücken, die andere für alle sichtbar am Revers, danach steckte er sie in die Jackentasche, wie er es zu tun pflegt, wenn er doziert. Nur dozierte er diesmal nicht. Es war Tarnung. Es war das Geständnis eines Komponisten an einen anderen Komponisten! Es waren Worte für unser stilles Einverständnis."

Als ihr Mentor stirbt, ist Emilie untröstlich: "Mein Loewe gab das Kämpfen auf. Ich weine, weine, weine seit Tagen. Hennie (Emilies Schwester) fragte erstaunt und ganz verschämt, mit eigentümlichem Blick, ob denn da mehr war zwischen Loewe und mir. Mein Buch schmiss ich ihr nach und hieß sie das Zimmer verlassen. Bin allein nun." Da bleibt vieles in der Schwebe. Vielleicht war ja wirklich mehr? Aber das geht niemanden etwas an.

Gitta Martens Buch: Schöner Ton, schöne Szenen

Ein stimmiger, leicht altertümlicher Ton durchzieht dieses Tagebuch – in dem allerdings das Werk ein bisschen zu kurz kommt. Acht Symphonien hat Emilie Mayer geschrieben, ein Dutzend Streichquartette, an die 15 Konzertouvertüren und vieles mehr. Wie sie das alles geschafft hat, erfahren wir nicht.

Eine herrliche Szene gelingt bei der Beschreibung der Uraufführung eines ihrer Klaviertrios. Dafür hat Emilie Familienmitglieder eingespannt, darunter ihren Neffen. Es geht alles gut, aber völlig nassgeschwitzt ist er nach dem Konzert, bleich und erschöpft. Und dann flüstert er seiner Tante ins Ohr: "Danke für diese schöne Erfahrung. Aber ich werde nie wieder öffentlich auftreten. Ich bleib bei der Hausmusik!"

Dramatisch-wehmütiges Finale

So harmlos-biedermeierlich, wie dieses Tagebuch beginnt, so dramatisch biegt es in die Zielgerade – mit der Auflösung eines finsteren Familiengeheimnisses. Fast unbemerkt sprengt die Autorin auf diesen Seiten die Tagebuchform.

Emilies letzte Lebensjahre stehen im Zeichen wehmütiger Erinnerungen – und großer Kränkungen: Der Autor von Carl Loewes Biografie erwähnt sie mit keinem Wort. Bis an ihr Lebensende wird sie weiter um Anerkennung kämpfen – auch für ihre jüngeren Kolleginnen. Aber sie ist müde: "Niemand kann ermessen, was es mich kostet, die große Ausnahme zu sein." Doch letztlich ist Emilie Mayer mit sich und ihrem Leben im Reinen. Im April 1883, mit 70 Jahren, stirbt sie in Berlin.

Roman von Gitta Martens über Emilie Mayer

Gitta Martens: Emilie Mayer, "Componistin. Sinfonie eines Lebens"
Erschienen am 21.03.2025, Barton Verlag
204 Seiten, 18,00 Euro

Sendung: "Allegro" am 17. April 2025 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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