London, 20. Mai 1842. Es ist ein Moment, der würdig erscheint, für die Nachwelt dokumentiert zu werden, und so hält ein zeitgenössischer Stich folgende denkwürdige Szene fest: Prinz Albert sitzt mit leicht gebeugtem Oberkörper an der Orgel des Buckingham Palastes, seine Hände greifen resolut ins Manual des Instruments, neben ihm, auf einem Stuhl, den rechten Ellenbogen malerisch auf die Lehne gestützt: Queen Victoria. Hinter dem königlichen Paar steht, wie ein gelockter Schulmeister im Gehrock, der Komponist Felix Mendelssohn-Bartholdy und beobachtet konzentriert das Geschehen.
Bildquelle: picture-alliance / Mary Evans Picture Library
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Die Aussage des Bildes ist eindeutig: Hier gewährt kein hochherrschaftliches Paar einem Untergeben Audienz, hier treffen Gleichgesinnte aufeinander, Musikfreunde, um mit egalitärer Leidenschaft ihrer Kunst zu frönen.
Felix Mendelssohn-Bartholdy, der während seines kurzen Lebens zehnmal England bereist, ist auf der Insel ein gefeierter Star: "Ich musste vor 3000 Menschen in der Exeter Hall spielen, die mir Hurrah zuriefen und mit den Füßen stampften, dass der Saal dröhnte", schreibt er nach Hause. Und er ist ein gern gesehener Gast im Buckingham Palast. Prinz Albert und Queen Victoria sind erklärte Fans des deutschen Komponisten, und der privilegierte Bankierssohn ist es seit Wunderkindbeinen an gewohnt, mit hochgestellten Persönlichkeiten auf Augenhöhe zu verkehren.
Wie vertraut es beim gemeinsamen Musizieren zuging, zeigt ein Brief Mendelssohns, in dem er beschreibt, wie er an der Orgel sein Oratorium "Paulus" zum Besten gibt: "Noch ehe ich den ersten Vers ausgespielt hatte, fingen beide an, den Chor ordentlich mitzusingen. Und der Prinz Albert zog mir dann so geschickt die Register zu dem ganzen Stück, und das alles auswendig, dass ich wirklich ganz entzückt davon war".
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Orgelmarathon - Mendelssohn: Ouvertüre aus dem Oratorium „Paulus" - Michael Bottenhorn
Zu Irritationen kommt es allerdings, als Komponist und Königspaar in den Musiksalon wechseln, wo Victoria Mendelssohn-Lieder darbieten möchte, denn dort lebt ein tierischer Störenfried. Die Queen, zumindest, war davon "not amused": "Aber zuerst muss der Papagei heraus, sonst schreit er lauter, als ich singe".
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Sendung: "Allegro" am 20. Mai 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK