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Das Klassikjahr 2019 – eine Vorschau Junge Wilde, alte Meister, charismatische Frauen

Das erste Großereignis im Klassik-Jahr ist immer das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker. 2019 wurde es erstmals von Christian Thielemann dirigiert. Welche Highlights, Events und News hält das Neue Jahr sonst noch bereit? Fridemann Leipold schaut in die Zukunft.

Stühle in der Oper mit der Zahl 2019 | Bildquelle: unsplash / Montage BR/Nadja Pfeiffer

Bildquelle: unsplash / Montage BR/Nadja Pfeiffer

"Weißt du, wie das wird?", fragen die Nornen in Wagners "Götterdämmerung". Auf jeden Fall spannend – wenn es endlich losgeht mit Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern im Sommer 2019. Das Antrittskonzert des neuen Chefdirigenten am 23. August ist das Klassik-Event des Jahres, das Programm noch unter Verschluss. Große Vorfreude in Berlin, Wehmut in München. Zwar ist es ein Abschied auf Raten, denn Petrenko bleibt in der Spielzeit 2019/20 parallel zu Berlin noch GMD an der Bayerischen Staatsoper. Und füllt sogar noch die Lücke bis zum Amtsantritt von Vladimir Jurowski 2021 durch Gastdirigate. Aber so langsam kommt bei den Münchner Opernfans Trennungsschmerz auf.

Dirigentenwechsel in Zürich, Berlin, Dresden und Hamburg

Dirigent Paavo Järvi | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wird Chefdirigent in Zürich: Paavo Järvi | Bildquelle: picture-alliance/dpa Wie das wird, kann natürlich keiner voraussagen – aber wer was wird, schon. Denn auch 2019 dreht sich das Dirigenten-Karussell munter weiter. Nach dem glücklosen Intermezzo mit Lionel Bringuier startet Paavo Järvi im Herbst als neuer Chefdirigent beim traditionsreichen Tonhalle-Orchester Zürich. Christoph Eschenbach übernimmt das Konzerthausorchester Berlin. Marek Janowski, der 2019 seinen 80. Geburtstag feiert, beerbt Michael Sanderling an der Spitze der Dresdner Philharmonie. Und Alan Gilbert folgt beim NDR Elbphilharmonie Orchester Thomas Hengelbrock nach, der im Streit mit dem NDR seinen Hamburger Job vorzeitig hingeworfen hatte.

Bruckner-Zyklen mit Thielemann und Gergiev

Man braucht kein Hellseher zu sein, um den Erfolg zweier Großprojekte vorauszusagen, wenn Maestri alter Schule am Werk sind: Christian Thielemann und Valery Gergiev schließen ihre Bruckner-Zyklen ab. Thielemann, der 2019 auch schon 60 wird, feiert mit der Zweiten Symphonie zugleich den 470. Geburtstag "seiner" Sächsischen Staatskapelle Dresden. Und Gergiev vollendet mit den Münchner Philharmonikern seine Bruckner-Gesamtaufnahme in der Stiftsbasilika Sankt Florian, wo Bruckner begraben liegt. Gergiev ist überhaupt der Mann des Jahres: Sowohl in Salzburg als auch bei den Bayreuther Festspielen leitet er Neuproduktionen – mit Wagners "Tannhäuser" gibt Gergiev sogar sein Debüt auf dem Grünen Hügel.

Münchner Philharmoniker mit Frauenpower

Barbara Hannigan | Bildquelle: Elmer de Haas Mehrfach zu Gast in München: Barbara Hannigan | Bildquelle: Elmer de Haas Alles in bewährter Männerhand also? Keineswegs. Die Münchner Philharmoniker zum Beispiel setzen geballt auf Frauenpower: Gleich drei Konzertserien übernimmt die charismatische Barbara Hannigan, die ihre Karriere als Dirigentin erfolgreich ausbaut. Daniele Gatti wiederum, der in eine #MeToo-Affäre verstrickt ist, hat nach seiner Entlassung beim Amsterdamer Concertgebouw im Sommer 2018 als Chef der Römischen Oper zum 1. Januar unverhofft einen neuen Job gefunden – "Glücksgriff und Skandalon" titelte die Süddeutsche Zeitung zur Causa Gatti.

Neue Intendanten in Erl, Baden-Baden, Hannover und Wuppertal

Neue Besen kehren gut? Das wird sich zeigen bei den anstehenden Intendanten-Wechseln – profilierte Persönlichkeiten sind die Neuen allemal. Zusätzlich zu seiner erfolgreichen Frankfurter Opern-Intendanz übernimmt Bernd Loebe die Tiroler Festspiele Erl, nachdem Gustav Kuhn wegen Vorwürfen sexueller Belästigung, finanzieller Unregelmäßigkeiten und Machtmissbrauchs zurücktreten musste. Am Festspielhaus Baden-Baden beerbt der erfahrene Kulturmanager Benedikt Stampa den langjährigen Intendanten Andreas Mölich-Zebhauser. Immerhin zwei prominente Institutionen liegen in Frauenhand: Die Amerikanerin Laura Berman leitet künftig die Staatsoper Hannover. Bettina Wagner-Bergelt, aus ihrer Zeit am Bayerischen Staatsballett in München bestens bekannt, übernimmt das krisengeschüttelte Tanztheater Wuppertal. Und die Stadt bekommt endlich ein Pina-Bausch-Zentrum.

Jubiläen: Berlioz, Offenbach und Clara Schumann

Hector Berlioz | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection Einer der Jubilare des Jahres 2019: Hector Berlioz | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection Es ist keine Kaffeesatzleserei, wenn man spekuliert, dass der französische Klangfantast Hector Berlioz die Konzertprogramme 2019 beherrschen wird – Anlass ist sein 150. Todestag. Die attraktivste Initiative kommt dabei aus England: Dort will das Education-Projekt "Berlioz 150" vor allem Klassik-Neulinge für Berlioz begeistern. Außerdem feiern zwei ganz unterschiedliche Künstlertypen 200. Geburtstag: Clara Schumann und Jacques Offenbach – ersterer würde man so viel Aufmerksamkeit wünschen wie letzterem. Und zwei Pultlegenden werden 90, Christoph von Dohnányi und Bernard Haitink. Beide gastieren 2019 beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Haitink ist dem Orchester seit über 60 Jahren verbunden.

Highlights mit Currentzis und Hrůša

Kein Zweifel: Die Zukunft gehört ihnen, den beiden so unterschiedlichen Temperamenten Teodor Currentzis und Jakub Hrůša. Hrůša hat seinen Vertrag mit den Bamberger Symphonikern bis 2026 verlängert und geht mit ihnen auf große Europatour, Currentzis ist zu einem Fixpunkt der Salzburger Festspiele geworden. Diesmal bestreitet er die Eröffnungspremiere mit Mozarts "Idomeneo". Am Tag zuvor gastiert er mit dem SWR Symphonieorchester und stemmt Schostakowitschs "Leningrader" Symphonie. Außerdem präsentiert Currentzis mit seinen musicAeterna-Ensembles Mozarts Da Ponte-Trilogie konzertant beim Lucerne Festival.

Rising Star: Santtu-Matias Rouvali

Der Dirigent Santtu-Matias Rouvali | Bildquelle: Kaapo Kamu Der kommende Mann? Santtu-Matias Rouvali | Bildquelle: Kaapo Kamu Auf ihn muss man achten, meint die internationale Fachpresse: Santtu-Matias Rouvali, ein junger Wilder aus der berühmten finnischen Dirigentenschmiede und derzeit noch ein Geheimtipp. Das wird sich garantiert ändern: Zu Jahresbeginn debütiert Rouvali bei den Münchner Philharmonikern. BR-KLASSIK sendet den Konzertmitschnitt am 19. Januar. Im Februar erscheint dann beim Label Alpha die erste Folge eines neuen Sibelius-Zyklus, den Rouvali mit den Göteborger Symphoniker aufnimmt – da ist er nämlich Chefdirigent.

Beethovenjahr 2020 am Horizont

Schließlich wirft schon das Beethoven-Jahr 2020 seine Schatten voraus. Beim Kissinger Sommer 2019 starten Frank Peter Zimmermann und Martin Helmchen mit einem kompletten Beethoven-Sonatenzyklus, der im Jahr darauf fortgesetzt wird. Und Carolin Widmann setzt beim Bonner Beethovenfest 2019 schon mal Maßstäbe für das Jubiläumsjahr, wenn sie Beethovens Violinkonzert mit einem Auftragswerk von Enno Poppe koppelt, das direkt darauf Bezug nimmt. "Weißt du, wie das wird?" Da hilft auch kein Bleigießen an Silvester oder gar der ominöse Blick in die Glaskugel – sondern nur eins: Hingehen! Anschauen! Zuhören!

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