Berlin, 12. Oktober 1935. Reichssendeleiter Eugen Hadamowsky verbietet Jazz-Musik im Radio. Doch das Verbot sollte sich nicht lange halten: Bald benutzten die Nazis den Jazz selbst für ihre Zwecke.
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Wenn Nazi-Kontrolleure in Deutschland eine Musik-Bar betreten, wird aus amerikanischem Jazz augenblicklich deutscher Schlager. Seit dem 12. Oktober 1935 ist der Jazz in Deutschland nämlich verboten. Verboten, weil Reichssendeleiter Eugen Hadamowsky es so verkündet. Wörtlich sagt er: "Mit dem heutigen Tag spreche ich ein endgültiges Verbot des Jazz für den gesamten deutschen Rundfunk aus."
Jazz ist also verboten, wird mit menschenverachtenden Worten diffamiert als "die Musik der Halbwilden". Und wer sie spielt, verstößt gegen das Gesetz. Das Problem ist nur: Kunst kann man nicht aufhalten, nicht einmal durch die "Nürnberger Rassegesetze", sie passiert einfach. Und so passiert sie auch den Nazis. Der Jazz fegt über Deutschland hinweg, und er reißt sie alle mit: die Arbeiter, die Männer und Frauen, die Musikszene, die jungen Soldaten und sogar die politische Führungs-Riege.
Diese angeblich "entartete Musik" ist leider so gut, dass man dann doch mal ein Auge zudrückt und die Welle der Begeisterung für die eigenen Interessen nutzen möchte. Deutsche Wehrmacht-Sender spielen jetzt auch die verbotene amerikanische Musik, um die Soldaten in den besetzten Gebieten bei Laune zu halten. Dafür werden sogar Rundfunk-Jazz-Orchester geduldet.
Absurdestes Beispiel deutscher Propaganda ist die Jazz-Kapelle "Charly and his Orchestra", auch bekannt als "Mr. Goebbels Jazz-Band". Sie wird gegründet, um die deutsche Propaganda-Sendung "Germany Calling" musikalisch zu füllen. Dabei verändert Sänger Karl Schwedler alias "Charly" die Texte amerikanischer Swing Standards zu nun antibritischen, antisowjetischen und natürlich antijüdischen Inhalten, während jüdische Musiker gezwungen werden, in der Kapelle mitzuspielen. Bisweilen sogar in Konzentrationslagern.
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Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK