Am 17. und 18. Oktober jährt sich der Todestag dreier tschechischer Komponisten zum 75. Mal: Pavel Haas, Viktor Ullmann und Hans Krása. Ein Zufall ist das nicht, denn am 16. Oktober 1944 wurden sie und viele andere Künstler von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und wenige Tage später ermordet. Dass das Ghetto Theresienstadt – ursprünglich eine kleine Garnisonsstadt nördlich von Prag – immer nur eine Durchgangsstation auf dem Weg in den Tod war, blieb seinen Insassen nicht verborgen. Dennoch wurde hier unermüdlich komponiert und konzertiert, gedichtet und geprobt.
Bildquelle: picture alliance / IMAGNO/Votava
Komponisten in Theresienstadt
Ein Kollegengespräch zum Thema
Das trotz Hunger, Krankheit und Elend unter unvorstellbaren Umständen gepflegte kulturelle Leben wurde von der Lagerleitung gebilligt und bald sogar unterstützt. Denn Kunst passte allzu gut ins Bild vom angeblichen "Paradiesghetto" Theresienstadt, mit dem sich internationale Proteste gegen deutsche Konzentrationslager beschwichtigen ließen. Gipfelpunkt dieser Propagandalüge war der Film "Theresienstadt", der später unter dem zynischen Titel "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" traurige Berühmtheit erlangte. Der selbst internierte Regisseur Kurt Gerron wurde im Sommer 1944 dazu abkommandiert, fröhliche Ghetto-Insassen beim Nähen, Töpfern, Musizieren oder Fußballspielen zu inszenieren. Und das vor einer idyllischen Kleinstadt-Kulisse, die man zuvor mit Fassadenanstrich, Blumenbeeten und einem eigens angelegten Spielplatz notdürftig hergestellt hatte. Theresienstadt war zum Potemkin'schen Dorf geworden, von dem sich selbst das Internationale Rote Kreuz über die wahre Bestimmung der Lager im Osten täuschen ließ.
Hans Krása | Bildquelle: © dpa Mit Viktor Ullmann, Pavel Haas, Hans Krása und Gideon Klein wurden ab 1941 die vielversprechendsten tschechischen Komponisten nach Theresienstadt verschleppt. Sie waren Schüler von Schönberg, Zemlinsky, Janáček und Alois Haba, feierten als Komponisten Erfolge auf den Festivals der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik, wirkten als Pianisten und Dirigenten. Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in die Tschechoslowakei im März 1939 und der Errichtung des "Protektorats Böhmen und Mähren" endete ihre Karriere abrupt. Ab sofort galten auch hier die Rassengesetze der Nazis und die jüdischen Ursprünge vieler prominenter Künstler führten zunächst zu Arbeits- und Aufführungsverboten, schließlich zur Deportation – meist ins nahe gelegene Theresienstadt. Ullmann, Haas, Krása und Klein verstummten hier jedoch nicht, sondern schrieben unermüdlich Kammermusik, Lieder und sogar Opern, die in der "Freizeitgestaltung" des Lagers aufgeführt wurden – Musik, die keineswegs nur von Trauer geprägt ist, sondern von berückender Schönheit und ungebrochener Vitalität.
Zu betonen ist, dass wir keineswegs bloß klagend an Babylons Flüssen saßen und dass unser Kunstwille unserem Lebenswillen adäquat war.
Neben der "Klassik" boten auch Operette, Kabarett und Jazz Unterhaltung, darunter vieles, das im Rest des "Deutschen Reichs" längst als "entartet" auf dem Index stand. Swing-Gitarrist Coco Schumann, der 19-jährig in Theresienstadt interniert wurde, staunte daher nicht schlecht, als ihm dort mit den "Ghetto Swingers" ein herausragendes Jazz-Ensemble begegnete. Musik spielte als Trost, Illusion, Widerstand oder Wiegenlied überall im Lageralltag eine Rolle. Zum Beispiel in der Kinderkrankenstube, wo die tschechische Schriftstellerin llse Weber als Krankenschwester wirkte und mit ihren selbst gedichteten und gespielten Liedern die Kinder in den Schlaf sang. Ihr Lied "Ich wandre durch Theresienstadt" gehört in seiner Schlichtheit zu den bewegendsten Zeugnissen dieser "Musik am Rande des Lebens".
Sendung: "KlassikPlus" am 17. Oktober 2019, 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK
"Ich wandre durch Theresienstadt"