Er wolle "die uralte Idee wieder einführen, dass Musik eine Reflektion der Natur ist", schrieb der amerikanische Komponist George Crumb: "Obwohl technische Diskussionen interessant für Komponisten sind, vermute ich, dass die wahrhaft magischen und spirituellen Kräfte der Musik tief aus unserer Seele kommen." Am 24. Oktober wird er 90 Jahre alt.
Bildquelle: © Rob Starobin
George Crumb experimentierte wie die meisten jungen Komponisten seiner Generation in den 1950er- und 60er-Jahren viel mit neuen Spieltechniken der Instrumente, mit elektronischer Klangerzeugung, mit neuen Konzert- und Aufführungsformen. Aber dennoch stand er mit seiner Idee, Musik sei auf einer unergründlichen, transzendentalen Ebene mit Natur und Kosmos verbunden, abseits der damaligen Avantgarde, die der alten "Gefühlsduselei" der Romantik mit rationalen Techniken wie dem Serialismus begegnete.
Auf der anderen Seite führen die naturmystischen Ideen Crumbs in seiner Musik nicht zu esoterischen Klangräuschen. Er setzt nicht bloß auf Aura und Atmosphäre, sondern schürft kompositorisch tiefer, wie Jörg Krämer, Soloflötist der Staatsphilharmonie Nürnberg, Musikwissenschaftler und Professor für Literaturwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, betont: "Da sitzt wirklich jede Note an ihrem Platz, obwohl man das gar nicht vermutet, wenn man die Musik hört, weil sie eben so rhapsodisch und frei wirkt. Aber die Sachen sind wirklich sehr gut gebaut und zwar auch wahrnehmungspsychologisch, die sind wirklich auf den Hörer berechnet. Das finde ich eine große Qualität, die nicht sehr viele Komponisten haben."
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
CRUMB Vox Balaenae (Voice of the Whale)
George Crumb kam am 24. Oktober 1929 in Charleston im US-Bundesstaat West Virginia zur Welt. Seine Eltern waren Musiker, sein Vater leitete zeitweise ein Stummfilmorchester. Komposition studierte Crumb unter anderem an der University of Michigan bei Ross Lee Finney und in Berlin bei Boris Blacher. Nach dem Studium unterrichtete er Komposition und Klavier, zunächst in Boulder, Colorado, dann von 1965 bis 1995 an der University of Pennsylvania in Philadelphia. Zu seinen bekanntesten Werken zählt "Vox Balaenae" (Die Stimme des Wals). Darin geht es um die Entwicklung des Lebens durch die Erdzeitalter vom Proterozoikum bis zum Känozoikum, der Erdneuzeit, die bis heute andauert. Die Gesänge der Wale symbolisieren die vormenschliche Natur. Das Stück entstand 1971, als gerade in den westlichen Gesellschaften ein Bewusstsein für die Umwelt erwachte. Crumbs Musik beziehe da eindeutig Stellung, so Jörg Krämer: "Eigentlich sind wir in der ganzen erdgeschichtlichen Entwicklung nur ein ganz kleiner Moment, und keineswegs die Krone der Schöpfung. Wir als Menschen sind diejenigen, die alles kaputtmachen."
Sendung: "Klassik plus" am 24. Oktober 2019 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK