Bibiana Beglau gehört zu den erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Seit 2011 ist sie Ensemblemitglied am Münchner Residenztheater. Am 18. Juli steht sie jedoch auf einer anderen Münchner Bühne: Im Jüdischen Zentrum übernimmt sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Götz Otto die Sprechrollen in dem Hörspiel "Words and Music". Der Text stammt von Samuel Beckett; Morton Feldman hat dazu eine Partitur für kleines Orchester komponiert.
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BR-KLASSIK: Bibiana Beglau, Wort und Musik - das sind ja zwei ganz unterschiedliche Ausdrucksformen. Seit Jahrhunderten beschäftigt man sich damit: Was sind die Möglichkeiten und Grenzen von Wort und Musik?
Bibiana Beglau: Ich glaube, darüber haben sich Morton Feldman und Samuel Beckett viele Gedanken gemacht. Es gab schon einmal eine andere Zusammenarbeit der beiden: Morton Feldman soll zu Beckett gesagt haben, er hätte eine Musik geschrieben, die sei sehr schön, und bat Beckett, ein Libretto dafür zu schreiben. Beckett antwortete wohl, das könne und wolle er nicht. Er wisse ja gar nicht, was denn überhaupt der Unterschied zwischen Musik und Worten sei. Feldman sagte daraufhin, er hätte diese Musik ja sowieso schon ohne Worte geschrieben, aber er hätte trotzdem gerne Becketts Text dafür. Daraufhin meldete sich Herr Beckett wohl nicht mehr. Irgendwann schrieb er ihm aber eine Postkarte mit 87 Worten, und das war dann das Libretto. Vielleicht erklärt das ein bisschen, was der Unterschied zwischen Wort und Musik ist.
BR-KLASSIK: Wenn man einen Text deklamiert, befindet man sich ja vielleicht auch in so einem Bereich, der Grenzen überschreitet. Wo stehen Sie da als Schauspielerin mit Ihrer Stimme?
Bibiana Beglau: Mich interessiert gar nicht, wo ich mit meiner Stimme stehe. Sie ist wie mein Körper oder sie ist ein Teil meines Körpers. Mich interessiert an der Sprache eher der Kniefall - also: Wann verzieht sich der Körper durch die Sprache? Wieviel Gewalt, Kraft oder Liebe muss ich anwenden, um durch die Sprache den Körper in eine andere Position zu rücken?
BR-KLASSIK: Wie funktioniert das bei einem Stück wie "Words and Music", wo Sie "nur" Sprecherin sind, wo also Gestik, Mimik, Szenerie wegfällt. Da ist es nur die Stimme, mit der Sie sich ausdrücken.
Bibiana Beglau: "Words and Music" ist ja ein reines Hörstück. Da stellt man sich eigentlich tatsächlich hinter die Worte; die von mir gesprochene Figur heißt ja auch "Worte". Also versuche ich, dem Autor dienlich zu sein. Beide, Samel Beckett und Morton Feldman, geben sehr genaue Anweisungen, wie gesprochen werden soll: "Versuche des Singens" (solche Anweisungen gibt es!), "Stimme lauter", "Stimme verstummen", "kurze ungestüme Stimmen", "Stille".
BR-KLASSIK: Wie bereiten Sie sich auf solch eine Rolle vor? Das ist ja eine ganz andere Arbeit als mit einem klassischen Drehbuch, oder?
Die Schauspielerin Bibiana Beglau | Bildquelle: BR/Julia Müller Bibiana Beglau: Das ist wirklich eine andere Arbeit. Es gibt Passagen mit Gedichten, und durch wiederholtes Lesen kann man dann versuchen, den Rhythmus herauszufinden. Beziehungsweise schauen, ob es überhaupt einen Rhythmus gibt oder ob der Autor vielleicht schon wieder geschickter war und einen Rhythmus verweigert hat. Lesen, versuchen zu verstehen. Und das Irre bei Beckett ist: Es gibt eine eigentümliche Emotionalität. Die ist nämlich auch eingeschmolzen und es gilt, sie zu finden. Das ist die Vorbereitung.
BR-KLASSIK: Sie werden jetzt mit einem Orchester zusammenarbeiten und einem Dirigenten - freuen Sie sich darauf?
Bibiana Beglau: Ich freue mich wahnsinnig mit dem Jakobsplatztheater wieder zusammen arbeiten zu dürfen. Wir haben uns letztes Jahr bei einem Abend mit dem Titel "Judith" entdeckt, das hat großen Spaß gemacht. Jetzt bei "Words and Music" habe ich noch keine Ahnung, wie das funktionieren wird. Das habe ich auch gleich den Grossmanns gesagt …
BR-KLASSIK: … der Orchestermanagerin Julia Grossmann und ihrem Sohn Daniel, dem Dirigenten …
Bibiana Beglau: Die beiden haben gelächelt und gemeint: Das werdet Ihr schon hinkriegen. Götz Otto spricht nämlich die andere Stimme, also die "Musik". Wir haben schon telefoniert, uns gegenseitig gefragt, wie man sich da vorpirscht. Wir sind beide, glaube ich, ziemlich aufgeregt. Aber wir haben ja einen tollen Dirigenten, der sich mit seinem Orchester sehr liebevoll, sehr kollektiv mit diesen Dingen beschäftigt. Das muss dann unsere Stütze und unser Stab sein.
Das Gespräch führte für BR-KLASSIK Riccarda Ott.
Montag, 18. Juli 2016, 20:00 Uhr
Hubert-Burda-Saal
St.-Jakobs-Platz 18, München
Morton Feldman:
"Words and Music"
Text von Samuel Beckett
Bibiana Beglau, Sprecherin - "Worte"
Götz Otto, Sprecher - "Musik"
Orchester Jakobsplatz München
Dirigent: Daniel Grossmann