Steve Reich ist einer der Pioniere der Minimal Music. Eines seiner umfangreichsten Werke - "The Desert Music" für Chor und Orchester - kam am 4. Juni bei der musica viva in München zur Aufführung.
Bildquelle: Astrid Ackermann
Video-Interview mit Steve Reich
"The Desert Music" erstmals in München
Der Begriff "Minimal Music" sei für ihn lediglich eine Schachtel, sagt Steve Reich auf die Frage, ob er sich mit diesem Terminus jemals anfreunden konnte: "Stellen Sie sich vor, wir besuchen Debussy in Paris, öffnen seinen Sarg und fragen ihn, ob er Impressionist war. Er sagt wahrscheinlich 'merde'". Nein, den Begriff Minimal Music mag Steve Reich wirklich nicht, aber wenn den Leuten sonst nichts zu seiner Musik einfalle, dann sollen sie ihn eben verwenden, meint er. Sein rund vierzigminütiges Orchester- und Chor-Stück "The Desert Music" von 1983 ist tatsächlich eher eine Art "Maximal Music", die mit ihren permanenten Takt- und Metrumwechseln und den jazzigen Melodiefiguren hohe Anforderungen an die Musiker stellt. Inspiriert wurde das Werk von Gedichten William Carlos Williams', die auch in Fragmenten den gesungenen Text des Werks bilden. "Die Gedichte von Williams waren immer sehr wichtig für mich", sagt Steve Reich. "Und da gibt es diese Zeile: Bisher hat der Mensch überlebt, weil er zu unwissend war, um zu wissen, wie seine Wünsche zu verwirklichen wären. Nun, da er sie verwirklichen kann, muss er sie entweder ändern oder zugrunde gehen." Reich und Williams beziehen diesen Text auf den Atombombenabwurf der USA auf Hiroshima, der sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährt. So ist "The Desert Music" auch ein Stück über die Grenzen der Menschheit - so aktuell wie 1983.
Steve Reich bei der Probe zu "The Desert Music" in München | Bildquelle: Astrid Ackermann "Das absolute Zentrum des Stückes ist ein Cluster von Kanons auf das Wort difficult. Es ist der komplizierteste Teil des Stücks. Das Grove Dictionary bat mich um eine Partiturseite. Ich gab ihnen ohne zu zögern eine Seite von diesem Kanon und sagte Beryl scherzhaft, dass, falls ich noch mitten in der Entstehung dieses Stückes sterben sollte, dieser auf meinen Grabstein gesetzt werden sollte. Für mich ist das das absolute Zentrum des Werks. Das ist etwas Selbstreferenzielles mit dem Wiederholen – es bezieht sich auf die Musik, aber auch auf das Fortbestehen des Problems. Das ist der Angelpunkt, du hast dieselben Texturen, die zurück kommen, sie kommen aber verschieden zurück, anders als sie zuerst präsentiert wurden."
Herkulessaal der Münchner Residenz, 4. Juni 2016
Moritz Eggert: "Muzak - in memoriam David Bowie" (Uraufführung); Steve Reich: "The Desert Music"
Moritz Eggert, Stimme
Synergy Vocals
Leitung: David Robertson