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George Benjamin im Interview "Mit Neuer Musik macht man kein Geschäft - zum Glück!"

Am 27. Februar gibt der 1960 geborene britische Komponist und Dirigent George Benjamin im Rahmen des musica viva-Wochenendes ein Konzert mit dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg. Auf dem Programm steht auch eines seiner eigenen Werke.

Bildquelle: F. Hoffmann-La Roche Ltd.

BR-KLASSIK: Herr Benjamin, Sie dirigieren jetzt in München u. a. auch ein eigenes Stück, "Ringed by the Flat Horizon". Wie kommen Komponist und Dirigent miteinander aus, sind die immer einer Meinung?

George Benjamin: Der Komponist kommt dem Dirigenten manchmal in die Quere - wenn der Dirigent nicht genau das tut, was der Komponist will - oder sich zumindest schwer damit tut. Die beiden treffen sich aber eher selten, einfach weil ich zu 90 oder sogar 95 Prozent als Komponist arbeite - dieses Jahr dirigiere ich zum Beispiel nur zwei Mal. Aber es ist immer sehr schön, Musik einzustudieren, nachdem ich mal wieder viel Zeit in Abgeschiedenheit mit Schreiben verbracht habe. Aber letztlich bin ich wirklich viel mehr Komponist als Dirigent, und nicht andersherum.

BR-KLASSIK: Sie dirigieren nun die neue "Räsonanz"-Konzertreihe, eine Initiative, die sich dafür einsetzt, zeitgenössische Musik bekannter zu machen. Moderne Bildende Kunst ist ja sehr populär, die Menschen strömen in die Ausstellungen, auf Auktionen werden hohe Preise erzielt - bei der zeitgenössischen Musik ist da eher das Gegenteil der Fall. Woran liegt das?

Dirigent George Benjamin | Bildquelle: Astrid Ackermann George Benjamin bei der Probe für ein Konzert der musica viva | Bildquelle: Astrid Ackermann George Benjamin: Ich finde das ein bisschen übertrieben. Während einer Kompositionsphase gehe ich fast nicht aus dem Haus und kann nicht wirklich mitreden. Aber sonst schon. Und dann treffe ich immer viele interessierte Menschen. Mit zeitgenössischer Musik macht man nun einmal kein Geschäft - man muss aber eher sagen: zum Glück. Vermutlich ist es besser für ihre eigene Gesundheit, dass zeitgenössische Musik nicht automatisch zu Gold wird. Ich selber dirigiere auch nicht, weil ich das Stück unbedingt populär machen will. Ich mache es in erster Linie aus Liebe zur Musik, und aus Liebe zur Arbeit, diese Musik mit Kollegen einzustudieren und aufzuführen. Klar gibt es viele Dirigenten, die lieber die Dauerbrenner dirigieren anstatt Zeitgenossen. Aber ich bin absolut davon überzeugt, dass die Werke nach und nach eine Bekanntheit erreichen, die sie verdienen!

BR-KLASSIK: Sie dirigieren jetzt ein Orchester, das in dieser Form auf Abschiedstour ist: das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, es wird ja fusioniert mit dem Stuttgarter SWR Orchester. Der Klangkörper aus Baden-Baden und Freiburg hat ja die zeitgenössische Musikgeschichte mit vielen Uraufführungen vor allem in Donaueschingen mitgeschrieben. Ist es für Sie etwas Besonderes, gerade mit diesem Orchester zu musizieren?

George Benjamin: Das ist ein sehr besonderes Orchester mit einer einzigartigen, wundervollen Geschichte seit seiner Gründung nach dem Krieg. Viele der großen Werke des 20. Jahrhunderts wurden von diesem Orchester aus der Taufe gehoben - von Ligeti, Messiaen, Boulez und vielen anderen. Und vor allem hat es auch eine große Tradition, auch gerade abenteuer- und experimentierfreudige Komponisten über die letzten sieben Jahrzehnte zu unterstützen. Man darf also schon von einer Tragödie sprechen, dass dieses Orchester fusioniert wird. Wie Tausende andere Musiker und Künstler schrieb ich auch an den SWR, um dagegen zu protestieren - aber es hat nichts genutzt. Es fällt mir wirklich sehr schwer, das zu verstehen. Aber eines möchte ich noch sagen: Ganz am Anfang meiner Karriere - ich war 22 - hat dieses Orchester eines meiner Stücke aufgeführt, nach der Uraufführung in England. Ich kam also damals nach Baden-Baden und durfte zwei Wochen lang mit den Musikern arbeiten. Das war eine außergewöhnliche Erfahrung für mich und ich bin nach wie vor dankbar dafür. Daher bin ich erst recht glücklich, jetzt nochmal mit ihnen zusammen zu sein, und gleichzeitig so traurig, dass es ihre letzte Saison ist …

Das Gespräch führte für BR-KLASSIK Bernhard Neuhoff.

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