Leipzig, 30. November 1840. Der norwegische Geiger Ole Bull besucht das Ehepaar Schumann. Robert ist euphorisch und stellt die Virtuosität Bulls sogar über die von Paganini: "Ein geistvoller Mann, er hat vieles gemeinsam mit Franz Liszt". Clara ist weniger begeistert ...
Bildquelle: picture-alliance / newscom / Picture History
Das Kalenderblatt zum Anhören
"Er bezahlt Frauen fürs Ohnmächtig werden! Und dann spielt er den Retter und hält ihnen das Flakon mit dem Riechsalz unter die Nase!" So heißt es über Ole Bull. Man hat ja schon so manche Kuriosität erlebt in der Klassikbranche – den Teufelsgeiger Paganini, den Tastenlöwen Franz Liszt, aber dieser Geiger Ole Bull, der schießt den Vogel ab: Er lässt Seifenstücke mit seinem Autogramm prägen, als handliche Give-aways und seine Biographie verteilt er als Werbezettel, munkelt man.
Ob so ein Markting-Ass etwas können kann, fragen sich die Leipziger und pilgern in sein Konzert, als wäre es eine Freakshow. Auch das frisch getraute Ehepaar Schumann ist im Publikum. Clara Schumann ist zwar begeistert von Bulls Virtuosität, traut sich aber kein objektives Urteil zu: "Leider entging mir so mancher Effekt von Ole Bull, auch sein pianissimo, weil ich das auf der Violine nicht imstande bin zu verstehen!"Robert Schumann hingegen ist euphorisch und stellt die Virtuosität des Geigers sogar über die von Paganini: "Ein geistvoller Mann, er hat vieles gemeinsam mit Franz Liszt ".
Clara und Robert Schumann | Bildquelle: picture alliance / akg-images Claras suspekte Haltung gegenüber dem riesenhaften Norweger, er misst immerhin einszweiundachtzig, setzt sich fort, als der die Schumanns zuhause besucht. "Er hat etwas Augenblickliches, bald schon kommt das Verlangen nach Solidem." Und dann ist da noch Ole Bulls Frau, eine Französin. Auch die betrachtet die junge Clara mit Argusaugen: "Sie strahlt in Diamanten, bei uns in Leipzig ein ziemlich selten gesehener Schmuck!" Robert Schumann jedenfalls scheint die hübsche junge Dame mit dem funkelnden dunklen Augen intensiv beobachtet zu haben. Gegenüber Clara behauptet er: "Sie war wohl die Teilnahmsloseste im ganzen Saal."
Es ist ganz offensichtlich: Das Ehepaar Schumann tut sich schwer, die Leichtigkeit, Lebenslust und Lebendigkeit, die von Ole Bull samt Gattin ausgeht, einzusortieren. Vor allem Clara bevorzugt den romantischen Typus eines Künstlers: introvertiert, stolz und leicht melancholisch, so einer wie Robert eben. Einig sind sich die beiden hingegen über den Sekretär von Ole Bull. Gemeinsam wälzen sie ein Tierlexikon und kommen zu dem Schluss: "Eike, der Sekretär, hat Ähnlichkeit mit einem Spitzhund."
YouTube-Vorschau - es werden keine Daten von YouTube geladen.
Ole Bull - Violin Concerto in A major ("Grand Concerto"), Op. 4 (1834)
Unsere Reihe "Was heute geschah" zu bemerkenswerten Ereignissen der Musikgeschichte können Sie auch um 7:40 Uhr, um 13:30 Uhr und um 16:40 Uhr auf BR-KLASSIK im Radio hören. Weitere Folgen zum Nachhören finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 30. November 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK