Zum 85. Geburtstag von Krzysztof Penderecki am 23. November findet in Warschau ein ganzes Festival statt. Zahlreiche Wegbegleiter sind da, um ihm zu gratulieren: Lawrence Foster, Alexander Liebreich, Anne-Sophie Mutter und viele andere mehr. Nach dem ganzen Trubel in Warschau wird Penderecki vermutlich wieder fast fünf Stunden entfernt in Lusławice zu finden sein, dem kleinen Ort, in dem er lebt und wohin er sich gerne zurückzieht.
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In Lusławice hat Penderecki einen Garten angelegt, denn er sammelt Bäume wie andere Leute Briefmarken. Über 1700 verschiedene Baumarten befinden sich in diesem Park, inzwischen dem größten Baumgarten in ganz Osteuropa, der außerdem eine ganz bestimmte Architektur hat. Die ist dem Komponisten hier genauso wichtig wie in seiner Musik. Und ob Baum oder Musik – beides ist für Krzysztof Penderecki ohne Wurzeln gar nicht denkbar.
Wenn ich Sinfonien schreibe, ist die Architektur des Ganzen das Wichtigste.
Bildquelle: picture alliance Tonbandkompositionen, Sinfonien, Konzerte, Kammermusik, Filmmusik, Opern und Oratorien – weit über hundert Werke hat Krzysztof Penderecki komponiert. Klassische Musik hören ist für ihn wie Philosophie-Bücher lesen: Macht nicht jeder, muss auch nicht jeder machen. Mit dieser Haltung hat der polnische Komponist Krzysztof Penderecki im Laufe der letzten 60 Jahre über 100 Stücke zu Papier gebracht. Was ihm dabei immer wichtig war: Form, Struktur, Schönheit.
Schönheit im Sinne von Fasslichkeit, Emotionalität. Dissonanzen aneinanderreihen, das sei keine große Kunst. Penderecki ging es stets um etwas anderes.
Kratzen für eine halbe Stunde - das kann jeder. Aber eine ausgeglichene Musik, in der es alles gibt, kann nicht jeder schreiben.
Ausgeglichene Musik schreibt er heute in jedem Fall. Kritiker und Kollegen schmähen ihn deshalb gerne mal als Verräter an der Avantgarde. Denn begonnen hat der 1933 im polnischen Dębica geborene Penderecki durchaus progressiv: als Avantgardist mit einer Musik, die Grenzen neu abstecken wollte, die mehr Klang- und Geräuschkunst war. Ein idealtypisches Beispiel: seine Komposition "Anaklasis". Penderecki war 26 Jahre alt, als er das Stück schrieb – es machte ihn über Nacht berühmt. Das Publikum der Donaueschinger Musiktage, wo das Stück 1960 uraufgeführt wurde, klatschte so lange, bis der Dirigent Hans Rosbaud und die 42 Musikerinnen und Musiker die sieben Minuten lange Komposition noch einmal spielten.
Bildquelle: Marek Beblot, Schott Verlag Knapp 20 Jahre später waren für Penderecki alle Klang-Gags ausgeschöpft. Er brach mit der experimentellen Avantgarde und schrieb ab Ende der 70er Jahre Musik, die sich zunehmend zwischen Spätromantik und Expressionismus einschwang.
Deutschland war lange seine musikalische Heimat, eine Zeit lang wohnte er in Berlin. Hier wuchs er als Komponist, mehr als die Hälfte seiner Werke wurden hier uraufgeführt. Die Musik war für Penderecki der Schlüssel zur weiten Welt, nicht nur zu Deutschland. Aus dem sozialistischen Polen heraus schrieb er sich durch diverse Kompositionsaufträge nach Österreich oder in die USA. Vor allem als Komponist geistlicher Werke hatte er zu Zeiten des Kalten Krieges durchaus etwas Rebellisches, wofür ihm - nach eigenen Angaben - sogar der Pass entzogen wurde.
Geistliche Musik war verboten. Ich war der erste in Polen, der wagte, sie zu komponieren.
Heute ist Krzysztof Penderecki ein Komponist, auf den sich alle einigen können, ein gern gesehener Auftragskomponist, Ehrendoktor, Preisträger, Gastdirigent und Kompositionsprofessor. Penderecki schafft den Seiltanz zwischen Tradition und Moderne. Das heißt aber nicht, dass er es sich gemütlich gemacht hat in seiner dissonanzgeglätteten, allgemein verträglichen Musiksprache. Immer wieder bezieht er Stellung - politisch und gesellschaftlich. Hiroshima, Auschwitz, und zuletzt 9/11 hat er kompositorisch verarbeitet. Moden und Trends interessierten ihn noch nie. Leiten lässt er sich hingegen gerne von der Natur, sie helfe ihm, sich zu beruhigen.
Jede Saison schreibe ich andere Musik. Im Frühjahr, im Sommer, auch im Winter.
Eigentlich sollte seine neue Oper "Phaedra" in diesem Jahr an der Wiener Staatsoper uraufgeführt werden. Penderecki aber hat darum gebeten, von diesem Auftrag entbunden zu werden. Widrige Umstände würden es ihm unmöglich machen, die Oper rechtzeitig zu vollenden. Seine letzte größere Komposition ist ein Concertino für Trompete und Orchester. Das komplette Stück können Sie bis zum 29. November 2018 hier nachhören.
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