Der amerikanische Rockstar Frank Zappa gibt ein Gastspiel im Pariser Palais des Sports. Eine halbe Stunde lang ist es ein Konzert wie jedes andere. Doch nach den ersten Songs und ein paar ausgiebigen Gitarrensolos bricht Frank Zappa plötzlich mitten im Stück ab - dann stimmt die Band Wagners "Lohengrin" an.
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Frank Zappa wendet sich an die Zuhörer: "Wir haben heute Abend einen besonderen Gast im Publikum. Ich sag euch nicht, wer es ist, aber wir werden ihm jetzt diesen Teil der Show widmen." Und auf einen Wink von Zappa hin beginnt Keyboarder Tommy Mars voller Stolz eine Demonstration seiner neuesten Sound-Effekte: die wabernde "Poly-Box", den funkigen "Mini Moog", die sphärischen "Heaven"-Klänge. "Wie wär’s mit etwas Lohengrin in dieser Klangfarbe?“ fragt Zappa, und sofort stimmt seine Band Wagners "Lohengrin"-Vorspiel an.
Der geheimnisvolle Gast, ein distinguierter Mittfünfziger, der unerkannt zwischen den kreischenden Groupies steht, kennt diese Melodie nur allzu gut. Schließlich gilt er als einer der besten Wagner-Dirigenten der Welt. Auch mit Elektronik kennt er sich aus, und mit seinen eigenen hypermodernen Kompositionen steht er an der Spitze der internationalen Avantgarde. Es ist kein Geringerer als Pierre Boulez, der dieses Rockkonzert besucht.
Ich bin immer offen und neugierig auf starke Persönlichkeiten. Und Zappa ist eine große Ausnahmeerscheinung im Bereich der U-Musik.
Frank Zappa bewundert Boulez seit er sich mit 17 eine Platte mit dessen "Marteau sans maître" gekauft hat. Nach dem Pariser Konzert zeigt Zappa Boulez seine Partituren, und Boulez beauftragt Zappa, ein Stück für sein Ensemble Intercontemporain zu komponieren. Es ist der Beginn einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen dem kalifornischen Anarcho-Rocker und dem elitären Grandseigneur aus Paris. Ein paar Jahre später wird diese Freundschaft sogar in eine gemeinsame LP münden. Pierre Boulez erinnert sich später: "Ich fand Frank Zappa sehr sympathisch und habe ihn jedes Mal, wenn ich in Los Angeles war, besucht. Er wollte etwas Eigenes erfinden, weg von der kommerziellen Rockmusik. Er wusste, dass es eine andere Seite der Musik gibt."
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