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Orffs "Carmina Burana" – sieben Aufnahmen im Vergleich Dauerbrenner auf der Bühne

Sie sind laut Verlag das meistaufgeführte Werk der "E-Musik" im letzten Jahrhundert: Carl Orffs "Carmina burana". Michael Jackson und Boxer Henry Maske waren von dem schmissigen Reigen weltlicher Mittelalter-Gesänge ebenso angetan wie unzählige Werbeagenturen, die gern den hymnisch-programmatischen Anfangschor "O Fortuna" für ihre Zwecke nutzten. Und natürlich ließen es sich bedeutende Dirigenten nicht nehmen, ihre Sicht auf Orffs Meisterwerk zu präsentieren, das am 8. Juni 1937 in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde. Wir stellen Ihnen sieben ausgewählte Aufnahmen vor.

Das Schicksalsrad - Carmina Burana | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

#1 US-amerikanische Ersteinspielung, frech gekürzt: Leopold Stokowski

Der weltberühmte Anfangschor "O Fortuna" mit der wankelmütigen Glücksgöttin, thronend in ihrem Rad des Schicksals. 1958 nahm Leopold Stokowski mit dem Houston Symphony Chorale, einer Amateurgruppe, und dem Houston Symphony Orchestra eine insgesamt nur 47-minütige Gesamteinspielung der "Carmina burana" auf, die kürzeste überhaupt. Dreist lässt der Dirigent Strophen weg, in den Chören und den Arien. Gleich im Eingangschor schindet er Zeit, würgt Phrasen ab, die Streicher wackeln. Genuschelt klingt der Text in italienischer Aussprache, die Chordamen pflegen ein kräftiges Vibrato. Doch dieses Zeitdokument voller Leidenschaft machte Carl Orff in Amerika bekannt.

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Carmina Burana, Fortuna Imperatrix Mundi: No. 1 - O Fortuna | Bildquelle: Leopold Stokowski - Topic (via YouTube)

Carmina Burana, Fortuna Imperatrix Mundi: No. 1 - O Fortuna

#2 Charakterstudie und Pianissimo-Traum mit Christian Gerhaher

Zu erwartende Liebesfreude antizipiert Bariton Christian Gerhaher genießerisch in diesem gesungenen Brief an die Geliebte – "Ama me fideliter" – "Liebe mich mit treuem Sinn!" Eine schwelgerische Version voller Innigkeit über einem gläsernen Klangteppich, mit den für Orff so typischen stehenden Akkordflächen. 2004 gemeinsam mit Simon Rattle und den Berliner Philharmonikern.

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Carmina Burana, Part 1, Primo vere: "Omnia Sol temperat" | Bildquelle: Sir Simon Rattle - Topic (via YouTube)

Carmina Burana, Part 1, Primo vere: "Omnia Sol temperat"

#3 Hermann Prey, jovial als abtrünniger Mönch

"Estuans interius": Wie durch ein Portal betreten wir eine grandiose Fress- und Sauforgie von Mönchen und Äbten. Hermann Prey verleiht dieser sprachgewaltigen Lebensbeichte, die eine glühende Bejahung des Diesseits ist, eine stürmische Ungeduld samt jovialem Schmiss. In der legendären Münchner Produktion von 1973 mit Kurt Eichhorn und dem Münchner Rundfunkorchester: zugleich der Soundtrack für Jean-Pierre Ponnelles Verfilmung der "Carmina burana".

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Hermann Prey - Carmina Burana - Carl Orff (1) | Bildquelle: mendoncacorreia (via YouTube)

Hermann Prey - Carmina Burana - Carl Orff (1)

#4 Hans Werner Bunz schießt den Vogel ab

Viele Tenöre haben dem ironisch-bösen Klagelied des Schwans, der zur Mittagsstunde in der Nr. 12 der "Carmina burana" gebraten wird, ein mitfühlendes Denkmal gesetzt. Keinem aber gelingt diese hochgelegte Tenorarie "Olim lacus colueram" mit ihrem Wechsel zwischen Tragik und Komik so eindringlich und kompromisslos wie Hans Werner Bunz mit Daniel Harding und dem spöttisch kommentierenden BR-Chor- und -Symphonieorchester: Seinen Schwan in höchster Not möchte man am liebsten retten!

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Orff: Carmina Burana / 2. In Taberna - "Olim lacus colueram" | Bildquelle: Hans-Werner Bunz - Topic (via YouTube)

Orff: Carmina Burana / 2. In Taberna - "Olim lacus colueram"

#5 Diesen Chor können Sie nachts wecken…

"In taberna quando sumus" ist eine orgiastische Sauforgie, das Paradestück des Männerchors, sein langersehnter großer Auftritt und Triumph! Mit atemberaubender Sicherheit skandiert 1960 der Rundfunkchor Leipzig unter Herbert Kegel sehr präsent, kernig und vital diese freche Litanei auf den unbegrenzten Trink- und Spielgenuss. Ganz klar in Diktion und Rhythmus und so präzise wie ein Schlaginstrument.

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Carmina Burana: II In taberna - "In taberna quando sumus" | Bildquelle: Rundfunkchor Leipzig - Topic (via YouTube)

Carmina Burana: II In taberna - "In taberna quando sumus"

#6 Lucia Popp – die zärtlichste und erotischste Sopranstimme

"Stetit Puella" besingt in lieblicher Sprache voller erotischer Anspielungen ein schönes Mädchen. Märchenhaft entrückt ist Carl Orffs Musik, "lusinghevole" – "schmeichelhaft" heißt die Vortragsanweisung. Mühelos und lupenrein fliegt Lucia Popp (begleitet von Rafael Frühbeck de Burgos und dem New Philharmonia Orchestra London) in feinstem Pianissimo dahin. Einfach himmlisch! Und auch ihr "Dulcissime", eine in höchsten Koloraturhöhen gewährte Hingabe samt selig entspanntem Hinabsinken, ist Hochgenuss pur.

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Lucia Popp; "Stetit puella"; "In trutina"; "Dulcissime"; Carmina Burana; Carl Orff | Bildquelle: liederoperagreats (via YouTube)

Lucia Popp; "Stetit puella"; "In trutina"; "Dulcissime"; Carmina Burana; Carl Orff

# 7: "In trutina" – Babara Streisand goes Orff

"In Trutina" behandelt die Unentschiedenheit des weiblichen Herzens: "Lustvolle Liebe und Schamhaftigkeit" halten sich zunächst die Waage, dann aber fällt die Entscheidung für das "süße Joch" der Liebe. 1976 hat sich Barbara Streisand in diese ergreifende und sinnliche Orff-Arie verliebt (zusammen mit dem Columbia Symphony Orchestra und Claus Ogerman). Eine sehr passende Interpretin, die Orff – der Blues und Jazz liebte, Miles Davis und Ella Fitzgerald hörte – sicher gut gefallen hätte.

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In Trutina from Carmina Burana (Voice) | Bildquelle: Barbra Streisand - Topic (via YouTube)

In Trutina from Carmina Burana (Voice)

Sendung: "Interpretationen im Vergleich" am 23. Juni 2020 ab 20:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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