Die perfekten Zutaten für ein Erfolgsballett sind gegeben: eine mittelalterliche Ritterlegende, eine Love-Story, Alexander Glasunow - ein begabter junger Komponist, und der Star-Choreograph des 19. Jahrhunderts: Marius Petipa. Doch der Weg zur Uraufführung von "Raymonda" verläuft nicht ganz so glatt, wie erhofft.
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Der Super-Choreograph Marius Petipa ist zum Zeitpunkt der Entstehung von "Raymonda" bereits 80 Jahre alt. Fürs Ballett-Business alles andere als jugendlich. Und der Komponist Alexander Konstantinowitsch Glasunow ist komplett unerfahren mit Ballettmusik, erst 32 Jahre alt, schwelgerisch veranlagt. Er steht eigentlich für üppig instrumentierte Sinfonien. Glasunow ist kein bisschen bereit, dem Choreographen auch nur einen Schritt, geschweige denn eine Pirouette, entgegen zu kommen: "Herr Glasunow will nicht eine einzige Note ändern, nicht mal in einer Variation oder wenigstens im Galopp. Es ist schrecklich mit einem Komponisten zu arbeiten, der seine Musik schon vorher publiziert hat", schreibt Petipa.
Sollen die sich doch fügen!
Der Komponist Alexander Glasunow | Bildquelle: picture-alliance/dpa
Eine derartige Ignoranz ist Petipa nicht gewohnt. Bislang hat er mit Peter Tschaikowsky zusammengearbeitet, der sich als äußerst kooperativ erwies: Petipa nannte die Anzahl der zu tanzenden Drehungen und Tschaikowsky hat die Taktanzahl der Musik entsprechend angepasst. So hat das zu laufen! Meint Petipa.
Aber Glasunow denkt nicht mal im Traum daran. Er taucht bei keiner einzigen Bühnenprobe auf. Der fantasievolle Petipa fühlt sich mit seinen filigranen Choreographien in Glasgows musikalisches Korsett förmlich hinein gequetscht. Am Ende gibt ihm Glasunows Eingeständnis wenigstens etwas Genugtuung: "Zwar sind choreographische Vorgaben ein Zwang, doch gleichzeitig kann das eine Kraft entfachen. Und vielleicht ist es sogar so, dass genau dies die beste Schule und Erziehung für das Empfinden von Form ist!"
Trotz der Schwierigkeiten mit "Raymonda" wachsen die beiden kreativen Dickköpfe aber doch noch zu einem Team zusammen und schaffen in den folgenden zwei Jahren sogar zwei weitere Ballette: "Les Ruses d'Amour" und "Les Saisons".
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