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Johann Sebastian Bach Brandenburgisches Konzert Nr. 5

Wie kein zweiter hat Bach in seinen "Six Concerts avec plusieurs instruments" mit den satztechnischen Möglichkeiten des höfischen Instrumentariums jongliert und das Genre nahezu enzyklopädisch ausgereizt. Mit dem fünften Konzert gelang ihm zusätzlich ein Novum: im Kern ein Concerto grosso, ist es mit seinem virtuosen Cembalo-Part im ersten Satz gleichzeitig ein verkapptes Cembalokonzert. Wohl das erste in der Musikliteratur. Gerald Hambitzer, Cembalist des Ensembles Concerto Köln, liebt dieses Werk.

Bildquelle: Malte Korff: "Johann Sebastian Bach", München 2002

Das Starke Stück zum Nachhören

"Ich bekomme nie genug davon, dieses Werk zu spielen", bekennt Gerhard Hambitzer. "Weil es immer wieder etwas bietet, das man vielleicht noch nie so gehört hat. Es ist auch ein Stück, das ich immer wieder übe: Man muss darauf achten, dass die Finger 'im Laufen bleiben'." Für den Cembalisten ist das Fünfte Brandenburgische Konzert nicht nur ein wichtiges, sondern auch ein schicksalhaftes Werk. Mit fünf Jahren hörte er es zum ersten Mal im Radio. Damals wollte er sofort wissen, was das für ein Instrument war, mit diesem ungewöhnlich hellen Klang: "Niemand konnte mir das sagen. Hin und wieder kam die Auskunft: ein Spinett. Und irgendwann kam ich dahinter: Aha, außer Klavieren und Flügeln gibt es also besaitete Tasteninstrumente mit diesem wunderschönen farbigen Klang."

Beginn einer Musikerlaufbahn

Concerto Köln | Bildquelle: Paolo Genovesi Das Ensemble Concerto Köln | Bildquelle: Paolo Genovesi Durch die Plattensammlung des Vaters entdeckte Gerald Hambitzer früh seine Liebe zur Barockmusik und zu historischen Instrumenten. Bald stand fest: Er wollte Cembalist werden. "Dann ging das Theater erst los", erinnert sich Hambitzer. "Man musste sehr viel Geld zusammenkratzen, um sich so ein Instrument sich überhaupt leisten zu können. Meine Eltern haben das unterstützt, natürlich auch kritisch begleitet - das Musikerleben hat schließlich Höhen und Tiefen. Ich habe zunächst etwas 'Vernünftiges' studiert, nämlich Schulmusik, hatte dann aber im Studium das Glück, meine Kollegen kennenzulernen. Schon zu Studienzeiten haben wir viele Konzerte und auch erfolgreiche Tourneen absolviert. So konnte ich meinen Eltern Schritt für Schritt beibringen, dass ich doch die Laufbahn eines freischaffenden Musikers wähle - mit Schwerpunkt Cembalo."

Komplizierter Cembalopart

Johann Sebastian Bach, Denkmal vor der Thomaskirche in Leipzig | Bildquelle: picture-alliance/dpa Johann Sebastian Bach, Denkmal vor der Thomaskirche in Leipzig | Bildquelle: picture-alliance/dpa Von allen sechs Brandenburgischen Konzerten weist das Fünfte wohl am meisten in die Zukunft. Es heißt, den virtuosen Part habe Bach für sich selbst geschrieben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ihn der Kauf eines neues Cembalos 1719 in Berlin zu dieser Komposition inspirierte. Aber nicht nur der Cembalopart war für die damalige Zeit ungewöhnlich kompliziert: "Die Modulationstechnik ist in diesem Werk außergewöhnlich und spektakulär", erläutert Hambitzer. "Das ist etwas, wo sich Bach von anderen Komponisten unterscheidet: dass er sehr kühn war im Durchschreiten der entfernten Tonarten. Ich möchte jetzt nicht zu weit ausholen, aber wenn ich das Cembalo stimme, dann temperiere ich es in einer Art und Weise, wie man dies im 18 Jh. gemacht hat. Damals galt das Prinzip, dass bestimmte Tonarten, die oft vorkommen, relativ warm klingen, entfernte Tonarten mit vermehrten Vorzeichen hingegen eine gewisse Schärfe aufweisen. Der Hintergrund ist ein physikalischer, aber musikalisch kann man es als zunehmende Spannung hören."
Der Parcours-Ritt durch entfernte Molltonarten im Kopfsatz führt dann schließlich zum strahlenden D-Dur. Die Wirkung ähnelt, so Hambitzer, einer Rückkehr in den sicheren Heimathafen nach einem gefährlichen Seesturm.

Ernst und gefasst

Ganz anders der zweite Satz, ein intimes Trio für die Solisten. Geige und Traversflöte bilden einen Part, das Cembalo den anderen. Das Thema des Satzes ist durch einen weichen, punktierten Rhythmus gekennzeichnet. "Für mich mutet es wie ein melancholisches Erzählen an", sagt Hambitzer. "Das Stück ist in dem Sinne nicht traurig, sondern eher ernst und gefasst. Und es findet - wie immer bei Bach - eine wunderbare, kunstvolle Verwebung der einzelnen Stimmen statt."

Ritornell plus Fuge

Der quirlige Schlusssatz stelt eine Kombination dar: Hier kreuzt Bach die für das Barocksolokonzert so typische Ritornellform mit der Idee der Fuge. Eigentlich agieren Flöte und Violine als Solisten. Doch das Cembalo gibt sich auch hier nicht mit der Rolle des Begleitinstruments zufrieden, wie Gerald Hambitzer anmerkt: "Es ist zwar durch Streicher zugedeckt, aber der Cembalist hat nichtsdestoweniger viel Arbeit: Es gibt komplizierte Läufe in der rechten, aber auch in der linken Hand."

Bach nützt alle Möglichkeiten aus, um auch im Finalsatz die Polyphonie einzubauen.
Gerald Hambitzer

Musik für die Bühne?

Das Fünfte Brandenburgische Konzert - für Gerald Hambitzer ist es ein zeitloses Werk. Jede Begegnung mit ihm stellt für den Cembalisten einen bewegenden Moment dar: "An einem guten Abend gerät man nahezu in einen Rausch, selbst wenn man das Stück schon hundertmal gespielt hat. Das ist doch etwas Phantastisches! Über den Begriff 'Alte Musik' kann ich hier nur milde lächeln, denn diese Musik lebt auf der Bühne."

Musik-Info

Johann Sebastian Bach: Brandenburgisches Konzert Nr. 5 D-Dur, BWV 1050

Concerto Köln
Gerhard Hambitzer (Cembalo)
Label: Berlin Classics

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