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Béla Bartók Konzert für Orchester

Es ist das Werk eines Komponisten, dessen musikalische Laufbahn extrem erfolgreich begonnen hatte und die dann so erfolglos endete: das musikalische Leben des Béla Bartók. In seiner Jugend als eines der größten Wunderkinder seit Mozart gefeiert, musste Bartók später aus politischen Gründen von Ungarn nach Amerika übersiedeln, wo sich sein Leben schlagartig änderte. Das "Konzert für Orchester" ist sein letztes vollendetes Orchesterwerk.

Bildquelle: Ferenc Bónis: Béla Bartók. Sein Leben in Bilddokumenten, Zürich 1981

Das starke Stück zum Anhören

Kaum zu glauben, aber die kraftstrotzende Musik dieser Komposition ist schon fast so etwas wie ein Schwanengesang, eine der letzten künstlerischen Äußerungen eines schwerkranken, geistig entwurzelten Mannes. Die Stadt New York war dem Ungarn Béla Bartók ein Gräuel – lange, lange Zeit hatte der Komponist gezögert, bevor er 1941 die vom faschistischen Unheil bedrohte Heimat verlassen hatte und in die Vereinigten Staaten emigriert war.

Erfolglose Zeiten in USA

Dort schien niemand auf den in Europa hochrenommierten Komponisten gewartet zu haben: Kaum ein Orchester wollte seine Musik spielen, das Geld floss spärlich, und der Großstadtlärm zermürbte den Sensiblen – selbst daheim in der grünen Idylle des Budapester Villen-Viertels hatte Bartók schon Elfenbeinkugeln in den Ohren getragen, um sich gegen Geräusche zu schützen.

Und dann immer wieder diese Fieberanfälle: Im Februar 1943 brach der Abgemagerte während einer Vorlesung an der Columbia-Universität zusammen – im Krankenhaus diagnostizierten die Ärzte eine chronischen Leukämie. Im Mai 1943 aber erhielt der Rekonvaleszent im Sanatorium Besuch, einen Scheck über 500 Dollar und den Auftrag, für die Bostoner Symphoniker ein Orchesterstück zu komponieren: Serge Koussewitzky, deren berühmter Dirigent, war höchstpersönlich an Bartóks Krankenbett gekommen.

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Impuls für neue Komposition

Die Begebenheit muss eine Art Initialzündung gewesen sein: Seit fünf Jahren hatte Bartók nichts mehr komponiert – auf einmal schienen sich die Ideen in seinem Kopf überschlagen zu wollen. Im Oktober des Jahres schon war das Stück fertig. Das "Konzert für Orchester", vom Komponisten wegen seiner instrumentalen Virtuosität so genannt, und doch – trotz seiner fünf statt vier Sätze – im Prinzip eine verkappte Symphonie.

Aber was hat es auf sich mit diesem orchestralen Koloss, was steckt für eine Idee dahinter? Der Komponist selbst gab einen Hinweis: "Abgesehen von dem scherzhaften zweiten Satz verwirklicht das Werk im ganzen den stufenweisen Übergang von der Finsternis des traurigen Klagegesangs des ersten und dritten Satzes zur Lebensbejahung des letzten."

Das ist ein wichtiger Moment – sehr geheimnisvoll und gespenstisch, wie eine Halluzination.
Mariss Jansons über den dritten Satz von Bartóks Konzert für Orchester

"Elegia" als Wendepunkt

Und doch bleibt trotz Bartóks scheinbar klarer Erläuterung vieles wunderbar unergründlich. Was bedeutet der zweite Satz, "Spiel der Paare" überschrieben, wo die Blasinstrumente Reigen tanzen, bis in der Mitte ein sehnsüchtiger Choral das Treiben kurzfristig unterbricht? Und dann die unheimlich-verschleierte "Elegie", die manchen an den "Tränensee" in "Herzog Blaubarts Burg" erinnerte. Für Mariss Jansons, den Chefdirigenten des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, ist diese Elegie das Herz der Komposition: "Das ist ein wichtiger Moment – sehr geheimnisvoll und gespenstisch, wie eine Halluzination. Von diesem zentralen Punkt aus wird dann eine neue Richtung eingeschlagen: Es geht ins Positive. Im vierten Satz gibt es dann viel Humor und auch Groteske."
Tatsächlich scheint sich auf dem Weg zum fulminanten Finale die Stimmung aufzuhellen. Dort zieht Bartók noch einmal alle ihm zur Verfügung stehenden Register musikalischer Energieausschüttung: einer der mitreißendsten, ekstatischsten Sätze der Musik im 20 Jahrhundert.

Schmerz, Sehnsucht, Hoffnung

Im September 1944 wird das Stück in Boston mit großem Erfolg uraufgeführt, ein gutes Jahr später erliegt Bartók seiner schweren Krankheit; eine Sonate für Violine hat er noch vollenden können, die Orchestrierung des abschiedsverklärten Dritten Klavierkonzerts hat er nicht mehr ganz geschafft. Das Konzert für Orchester aber bleibt bis heute Bartóks beliebteste Komposition – ein Meisterwerk, voller Schmerz, voller Sehnsucht, voller Hoffnung. Angefüllt also mit Wahrheit bis zum Rande.

Musik-Info

Béla Bartók:
Konzert für Orchester, Sz 116


Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons
Co-Produktion BR-KLASSIK / SONY Classical

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