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Ludwig van Beethoven Streichquartett op. 59 Nr. 3

Beethovens "Rasumowsky"-Quartette op. 59 stießen zunächst bei den Hörern auf Unverständnis. Der ganze Zyklus wirkte auf das damalige Publikum sehr ungewöhnlich. Als "Flickwerk eines Wahnsinnigen" wurden sie bezeichnet. Was das damalige Publikum so verunsicherte, darüber hat Julia Smilga mit dem Geiger Tim Vogler gesprochen.

Bildquelle: © picture alliance/CPA Media

Das starke Stück

Ludwig van Beethoven: Streichquartett op. 59 Nr. 3

"Die drei neuen sehr langen und schwierigen Beethovenschen Violinquartette zogen die Aufmerksamkeit aller Kenner auf sich. Sie sind tief gedacht und trefflich gearbeitet, aber nicht allgemein fasslich", hieß es am 27. Februar 1807 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung über ein Konzert in Wien im Palais des Grafen Rasumowsky. Andere Stimmen formulierten ihr Unverständnis offener. Der Cellist Bernhard Romberg trat sein Notenblatt mit Füßen, andere sprachen von "verrückter Musik" und der selbst so eng mit Beethoven arbeitende Geiger Ignaz Schuppanzigh hielt diese Musik anfangs für einen schlechten Scherz.

Entgegen der Hörgewohnheit

"Es war ja so, dass die Kammermusik in dieser Zeit die Entwicklung aus dem Wohnzimmer heraus in die großen Säle genommen hat", sagt der Geiger Tim Vogler. "Es heißt, die Komponisten haben angefangen – und Beethoven hat das ganz bewusst gemacht mit seinen Quartetten op. 59 –, für die großen Konzertsäle zu schreiben. Kammermusik, die eigentlich keine Kammermusik mehr ist, sondern symphonischen, konzertanten Anspruch hat – die ist sehr schwer, sehr virtuos und sehr konzertant." Tim Vogler ist Gründer des Vogler Quartetts und dessen erste Geige. Das Ensemble hat alle drei Rasumowsky-Quartette op. 59 aufgenommen. Der Musiker weiß, warum die Zuhörer aus dem Jahr 1807 Unverständnis und Ablehnung zeigten. Die Quartette besitzen einen neuen komplexeren Klang, die Sätze sind sehr individuell gestaltet. Beim dritten Quartett beispielsweise greift der Komponist zum ersten Mal auf die aus der Symphonischen Musik stammende langsame Einleitung zurück. Beethoven malt eher einen träumerischen Zustand als eine klassische Entwicklung.

Es kommen Melodien zustande, die eigentlich künstliche Gebilde sind – und das ist sehr modern!
Tim Vogler zu Beethovens Streichquartett op. 59 Nr. 3

Keine Rücksicht auf die Zuhörer

Das Vogler Quartett | Bildquelle: Christian Kern Das Vogler-Quartett | Bildquelle: Christian Kern Erst am Ende der langen chromatischen Einleitung wird die Grundtonart C- Dur erreicht. Doch bereits in den ersten Motiven des ersten schnellen Satzes wird C-Dur wieder in Frage gestellt. Beethoven probiert ständig etwas Neues aus. In seiner Musiksprache nimmt er keine Rücksicht auf die Zuhörer, die bis dahin starre Formen und konventionelle Klangfloskeln bei Streichquartetten gewöhnt waren. Kein Wunder, dass seine Zeitgenossen mit diesen drei Werken in ihrem Hörvermögen völlig überfordert waren, sagt Tim Vogler: "Bei diesem dritten Rasumowsky-Quartett ist es so, dass Beethoven gar keine richtige Melodie komponiert hat – also eine Melodie wie ein Lied, das man nachsingen kann. Nein, er nahm einen Baustein, und zwar die Tonfolge von zwei Noten – die kleine Sekunde, manchmal die große Sekunde – und aus diesen Bausteinen hat er ganz abstrakt Melodien geformt. Es kommen also Melodien zustande, die eigentlich künstliche Gebilde sind – und das ist sehr modern!"

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Quartette für den Grafen Rasumowsky

Die drei Quartette op. 59 waren 1806 auf Bestellung des russischen Gesandten in Wien entstanden. Der Graf Kirill Rasumowsky war ein Kunstsammler und Musikkenner ersten Ranges, dazu selbst ein begeisterter Violinspieler. Rasumowsky war einer der wichtigsten Mäzene und Verehrer Beethovens. Ihm zur Ehre flocht Beethoven in die zwei ersten Quartette russische Themen ein. Im dritten Quartett verzichtete er darauf, es ist insgesamt schlichter und konzentrierter angelegt. Dies trug vielleicht mit dazu bei, dass das dritte Quartett von den Zeitgenossen als das einzig erträgliche der Reihe angesehen wurde.

Friedlicher Abschluss einer spannungsreichen Trilogie

Beim Dritten Quartett wurde vor allem der zweite langsame Satz beliebt – der einzige mit der slawischen Grundstimmung. Dieser Satz mit seiner gefälligen Melodie bleibt aber eine Ausnahme. Sonst ist das dritte Quartett von scharfen dynamischen Kontrasten, kühnen harmonischen Entwicklungen und hohen spieltechnischen Schwierigkeiten geprägt – genauso wie die zwei vorausgegangene Rasumowsky-Quartette. Und das Quartett in C-Dur Nr. 3 bildet nicht nur den glanzvollen Abschluss dieser Trilogie, sondern auch die Lösung der Spannungen und Konflikte der beiden vorigen Quartette.

Substanz wie ein Atomkern

Anonyme Fotografie nach einem Zeichnung von Josef Danhauser | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn Der Geiger Ignaz Schuppanzigh arbeitete eng mit Beethoven zusammen. | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn "Der Zyklus der drei Rasumovsky-Quartette ist durch motivische Bausteine und tonartliche Konstruktionen miteinander verbunden", sagt Tim Vogler. "Eigentlich kann man sagen, die Quartette gehören zusammen und dieses Fugato am Ende von op. 59 Nr.3 nimmt letztendlich in der Gesamtarchitektur der drei Quartette den Platz des Finales ein. Die Fuge ist also das eigentliche Schlusswort der drei Rasumowsky-Quartette. Die drei Werke sind hervorragend konstruiert – wie klassische Bauwerke. Je länger man sich damit beschäftigt, desto tiefer kommt man hinein. Das lässt einen nicht mehr los. Da ist eine Substanz drin, die wie ein Atomkern ist. Und um den sprengen, braucht man eine Riesenenergie!"

Musik-Info

Ludwig van Beethoven:
Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello C-Dur, op. 59 Nr. 3


Vogler Quartett

Label: PROFIL edition günter hänssler

Sendung: "Das starke Stück" am 2. März 2021, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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