Wolfgang Amadeus Mozart heiratete seine Constanze im August 1782 – gegen alle Widerstände seitens seines Vaters. Das Hochzeitsgeschenk? Unbekannt. Vieles spricht für eine "große blasende Musik ganz besonderer Art" – so wie in seiner Serenade mit der Köchelverzeichnis-Nummer 361.
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Das wäre eine schöne Geschichte, wenn Mozart die Gran Partita für seine Constanze geschrieben hätte. Und es wäre eines der wertvollsten Geschenke in der Musikgeschichte, das ein Komponist seiner Frau hätte machen können. Aber da gibt es auch noch ganz andere Geschichten. Zum Beispiel diese hier:
"Die Partitur sah nach nichts aus. Der Anfang so simpel. Fast lächerlich. Nur ein Pulsieren, Fagotte, Bassetthörner – wie eine rostige Quetschkommode. Doch da plötzlich, hoch darüber, eine einsame Oboe, ein einzelner Ton, unerschütterlich über allem, bis eine Klarinette ihn aufnimmt, in einer Phrase von solch himmlischer Süße! Das war keine Komposition eines Zirkusaffen! So eine Musik hatte ich noch nie vernommen. Voll tiefster Sehnsucht; einer so unstillbaren Sehnsucht, dass ich erbebte und es mir schien als hörte ich die Stimme Gottes." So äußert sich Antonio Salieri, Mozarts angeblicher Feind und Konkurrent, im Film "Amadeus". Albrecht Mayer, Solo-Oboist der Berliner Philharmoniker, pflichtet diesem fiktiven Geständnis bei. "Der Film hat mich so beeindruckt, obwohl ich natürlich schon wusste, dass vieles davon natürlich reine Fiktion ist. Mir ziehen eigentlich, wenn ich das spiele, diese Bilder vor meinem geistigen Auge vorbei. Das sind sehr schöne Bilder."
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Töne wie zärtliche Wissenschaft, feinsinniges Gedankenspiel. Man solle nicht glauben, dass in einem so kleinem Kopf so etwas Großes steckt, hatte Wolfgang Amade Mozart einmal über sich selbst gesagt. Als ob er das Rätsel, das er aufgab, erklären wolle. Das ganze Wunder in wenigen Tönen in einer großen kleinen Melodie auf den Punkt gebracht – im Adagio der Serenade KV361, angekündigt als eine: "große blasende Musik von ganz besonderer Art."
Das Außergewöhnliche sind natürlich die Bassetthörner.
Albrecht Mayer | Bildquelle: © Matthew Dine Wann das Werk komponiert wurde, ist unbekannt. Vielleicht war es ein Hochzeitsgeschenk für Constanze im August 1782. Aufgeführt wurde es dann bei einer Akademie im Wiener Burgtheater. Das ursprüngliche Serenaden-Schema war auf sieben Sätze erweitert, der Titel lautete "Gran Partita". Eine Serenade – das bedeutete gemeinhin vor allem höfische Unterhaltungsmusik, heiter, vergnüglich, temperamentvoll. Doch Mozart wäre nicht Mozart, wenn er nicht in diesem eng abgesteckten Rahmen in denkbar größter Freiheit experimentieren würde – und dies ausgerechnet in den Menuetten. "Das Außergewöhnliche sind natürlich die Bassetthörner (in diesem Fall), die schon irgendwie dieses Mittelding zwischen den Fagotten und Klarinetten darstellen", erklärt Albrecht Mayer. "Gerade in den Trios der Menuette zum Beispiel. Das ist eigentlich eine ganz besondere Farbe. Man denkt zuerst: Was ist das, sind das Klarinetten? Nein, nein, das ist doch ein anderer Klang."
In den Trios zwischen den Menuetten, dem Lieblingstanz Ludwigs XIV. und seitdem aller Aristokraten in Europa, erklingen Ländler. Gassenhauer, wie sie die einfachen Wiener zum Vergnügen aufspielten. Als ob Mozart mit leichtem Spott der versammelten höheren Gesellschaft im Burgtheater auf der Nase herumtanzen wollte. Im KV 361 vernehmen wir das letzte Leuchtfeuer einer höfischen Musik. Die lässt Kommendes ahnen. Die himmlischen Längen, die verschwenderische Melodienfülle eines Franz Schubert. Auch wenn Mozart eine Serenade schrieb, komponierte er nicht zur Belustigung eines in Etikette und Zeremoniell selbstverliebt um sich selbst kreisenden Hofstaats. Sondern für die neu gegründete "kaiserliche Harmonie", die Kaiser Joseph II. anno 1782 gegründet hatte. Acht Virtuosen, begabt mit Spielwitz und der Kunst des Cantabile.
Und Mozarts "Gran Partita" ist das bedeutendste Werk, das für diese Besetzung von acht Bläsern, ergänzt um vier weitere Stimmen und einen obligaten Kontrabass, jemals geschrieben wurde. Eine Musik, die den Geist einer höfischen Ouvertüre atmet, einer ernsthaften Symphonie, einer vergnügten Oper und tiefsinnigen Kammermusik. Klingt nach der Quadratur des Kreises. Oder ganz einfach nach Mozart.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Serenaden Nr.10, KV 361 "Gran Partita"
Berliner Philharmonisches Bläserensemble
Albrecht Mayer (Oboe)
Label: EMI
Sendung: "Das starke Stück" am 23. März 2021, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK