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Franz Liszt Duo-Sonate für Violine und Klavier

"Nicht ein Auswuchs, sondern ein notwendiges Element der Musik ist die Virtuosität." Dieses Zitat stammt von Franz Liszt. Das, was Niccolo Paganini an der Geige war, war er am Klavier. Dass der "Paganini des Klaviers" aber auch für andere Instrumente komponierte, ist weniger bekannt. So schrieb er als junger Pianist, nachdem er einen der legendären Auftritte Paganinis hautnah miterlebt hatte, eine Duo-Sonate für Violine und Klavier. Der Geiger Ingolf Turban hat die Sonate eingespielt. Mit BR-KLASSIK hat er über dieses "Starke Stück" gesprochen.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Das starke Stück

Liszt — Duo-Sonate für Violine und Klavier

Franz Liszt bewundert Frédéric Chopin zeitlebens. Mit Anfang 20 lernen sich die beiden Pianisten in Paris kennen. Mögen sie auch charakterliche Gegensätze sein – der eine ein gefeierter Tastenlöwe, der andere eher publikumsscheu und introvertiert – verbindet sie doch eine enge Freundschaft. Liszt schätzt Chopin auch für seine Kompositionen. Das Thema aus der Mazurka op. 6 Nr. 2 in cis-Moll gefällt ihm besonders so gut. Und so wählt Liszt es als Grundbaustein für seine Violinsonate.

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Das Thema kommt in schlichter Gestalt

Nachdem das Klavier das Thema der Mazurka fast wortwörtlich zitiert, übernimmt es die Violine – zunächst in ganz schlichter Gestalt. Im Verlauf der Sonate erscheint das Thema dann in allen nur erdenklichen Formen, sagt der Geiger Ingolf Turban: "So wie die Thematik Chopins in diesem Stück behandelt wird, hat es etwas Labyrinthisches. Das guckt sie permanent an und sie gucken hin und weg ist es. Und dann kommt es wieder in lauter lachenden Gesichtern, manchmal Fratzen. Tausende Gesichter tauchen auf vor dem inneren Ohr in allen Wesenszügen. Und das ist ein Versteckspiel, fast ein Kokettieren mit dem Material." Immer wieder tauchen motivische Splitter der Chopin-Mazurka auf – rhythmisch variiert, harmonisch leicht verändert oder auch als kunstvolles Fugato zwischen Klavier und Violine.

Ganz Paris im Paganini-Rausch

Der Geiger Ingolf Turban | Bildquelle: ingolfturban.de Bildquelle: ingolfturban.de Dass Liszt überhaupt ein Werk für Geige schreibt, ist zu diesem Zeitpunkt sicherlich kein Zufall. Nach den Auftritten Niccolò Paganinis in der französischen Hauptstadt befindet sich Liszt – wie ganz Paris – im Paganini-Rausch. In seiner Duo-Sonate vermischt Franz Liszt also verschiedene musikalische Einflüsse: die Thematik Chopins, die Virtuosität Paganinis und sein eigenes Genie, das all das zu etwas ganz Eigenem, Neuen verarbeitet. Fasziniert von den virtuosen Hexenspielereien des Teufelsgeigers, beschließt Franz Liszt alles zu tun, um der "Paganini des Klaviers" zu werden. Er übt wie ein Besessener und feilt an seiner technischen Brillanz. Zugleich aber spürt Liszt, dass virtuose Technik allein nicht alles sein kann. Und das macht sich auch in seiner Violinsonate bemerkbar. "Da ist einerseits der Übervater Paganinis auch bei Liszt angekommen, und genau diese Virtuosität wird aber durchaus kritisch hinterfragt", sagt Ingolf Turban. "Das ist ein Umbruch. Und das hören Sie in diesem Stück. Da wird Virtuosität manchmal ein wenig absurd: in Tremoli, in sich kreisenden Wiederholungen, in einer Dramatik, die wie in sich zusammensackt. Also: Liszt kämpft hier schon um etwas Neues, weil ihm Virtuosität an und für sich nicht mehr genügt."

Mehrere musikalische Einflüsse

So gesehen vermischen sich in Liszts Duo-Sonate verschiedene musikalische Einflüsse: die Thematik Chopins, die Virtuosität Paganinis und das eigene Genie Franz Liszts, das all das zu etwas ganz Eigenem, Neuen verarbeitet. Ingolf Turban bringt es auf den Punkt: "Das ist wirklich so als würden Sie eine Konferenz hören, eine musikalische. Ich stelle sie mir alle so an einem Tisch vor: da der Chopin, und gerät vielleicht in ein leicht trunkenes Delirium und sieht dann Paganini nicht vielleicht nur einfach, sondern vielleicht gleich doppelt. Und dann den Liszt, der das Ganze an einem imaginären Riesenflügel spielt."

Im zweiten Satz setzt sich die Violine durch

Die ganze Sonate über dominiert das Klavier. Zuweilen setzt sich aber auch die Violine durch, erklärt Ingolf Turban – wie beispielsweise im zweiten Satz "Tema con variazioni": "Im zweiten Satz gelingt der Geige eine Art der Befreiung. Das ist auch sehr galant. Und die Geige wird vordergründiger, ohne dass das Klavier je zurücktritt, aber die Geige bekommt einfach geladene Portionen Pfefferkörner - aus Virtuosenhand geschenkt. Der dritte Satz, das Allegretto, ist dann nochmal galanter. Fast ein bisschen werbend, einschmeichelnd, schmunzelnd. Und das ist übrigens auch köstlich zu spielen. Richtig toll gesetzt. Also da hat man einfach auch als Instrumentalist eine ganz urtümliche Freude dran."

Finalsatz als Höhepunkt

Paganini der Hexenmeister', Zeichnung von Johann Peter Lyser (1803-1870) | Bildquelle: © akg-images, picture-alliance Paganini, der Hexenmeister. Karikatur. | Bildquelle: © akg-images, picture-alliance Liszts Ringen um den Umgang mit der Virtuosität erreicht im Finalsatz der Sonate einen letzten Höhepunkt. Ruhigere, fast nachdenklich klingende Passagen mischen sich in das feurige "Allegro con brio". Gegen Ende des Satzes gipfelt das Stück jedoch in übersprudelnder Virtuosität. "Hier wird eigentlich ganz direkt bedient und scheinbar auch nicht in Frage gestellt, was Paganini als Instrumentalist alles vermochte", erklärt Ingolf Tuban. "Das erleben Sie ganz wörtlich in diesem vierten Satz. Und so endet er denn auch. Es siegt das con brio, das dominiert, und damit schließt es auch ab. Dieses feurige Spiel, irdische Lust an der Virtuosität! Das Stück zweifelt hier gar nicht mehr. Und das hat es vorher doch schon getan."

Frühes Werk, eigene Handschrift

Trotz ihrer frühen Entstehung ist Liszts Duo-Sonate für Ingolf Turban kein "unreifes Frühwerk". Vielmehr sieht er in dem Stück verschiedene Facetten von Liszts Persönlichkeit und Kompositionsstil aufscheinen. Es ist ein Werk, das bereits ganz klar Liszts Handschrift trägt und zugleich auch auf seine zukünftige Entwicklung verweist: "Das ist der spannende Verlauf eines der größten Romantiker, die wir uns überhaupt vorstellen können: vom Salonblender zum Frühmodernen. Und auf diesem langen Wege der Wandlung finden wir eben mehrere Gesichter auch zur gleichen Zeit. Und das ist der Kern vielleicht auch dieser frühen Duo-Sonate. Es ist ein Sich-Beschäftigen mit Paganinis Virtuosität und ein Sich-Daran-Reiben – zur gleichen Zeit."

Musik-Info

Franz Liszt:
Duo-Sonate für Violine und Klavier


Ingolf Turban (Violine)
Lukas Maria Kuen (Klavier)
Label: Oehms Classics

Sendung: "Das starke Stück" am 18. Februar 2025, 19.03 Uhr auf BR-KLASSIK

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