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Frédéric Chopin Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll, op. 11

Am 11. Oktober 1830 spielt Chopin bei seinem letzten Auftritt in Polen das e-Moll- Konzert vor Publikum – zum ersten Mal. Zur Komposition inspiriert hatte ihn seine erste Liebe: Konstancja Gladkowska. Agnieszka Schneider stellt das Starke Stück zusammen mit dem Pianisten Rafał Blechacz vor.

Portrait Frederic Chopin | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das starke Stück

Frédéric Chopin - Klavierkonzert Nr. 1 e-Moll op. 11

Es ist unklar, ob Chopin Konstancja je seine Liebe gestanden hat, bevor er am 2. November 1830 in eine Kutsche stieg, um Polen zu verlassen. Doch er trug bei der Abfahrt einen Ring am Finger und ein Band am Herzen, beides waren Geschenke von ihr.

Träumereien

Konstancja Gladkowska inspirierte den jungen aufstrebenden Komponisten zu den Mittelteilen seiner beiden Klavierkonzerte f-Moll und e-Moll. Im zweiten Teil des Abends der Uraufführung sang sie die Kavatine aus Rossinis Oper "La Donna del lago". Rafał Blechacz sagt zum langsamen Satz des Konzerts: "Wenn ich den zweiten Teil spiele, dann denke ich oft an die Worte des Komponisten, die ich zum ersten Mal in der Chopin-Biografie von Jaroslaw Iwaszkiewicz gelesen habe. Er zitierte darin Chopin, der in einem der zahlreichen Briefe an seinen Freund Titus Woyciechowski über diese Musik schrieb. 'Es soll den Eindruck vermitteln, als schaue man auf einen Ort, der in einem tausend zauberhafte Erinnerungen wachruft …' Und ich entdecke, dass sich dahinter wirklich etwas Unbeschreibliches verbirgt. Es ist fast wie eine Mond-Aura, Nacht-Aura, wie ein Schwelgen in der Vergangenheit."

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Eine Vielfalt klanglicher Möglichkeiten

In diesem "Larghetto" scheint Chopin mit sanfter und gedämpfter Stimme seine Geheimnisse zu flüstern. Hier führte er fort, was er schon in dem davor entstandenen f-Moll Konzert ausgedrückt hatte: die schwelgerische Träumerei eines Verliebten. Schon als junger Komponist verstand es Chopin, diesen unverwechselbaren Kontrast zwischen lyrischer Melodik und brillanter Technik zu entwickeln. Denn über eine brillante Technik verfügte Chopin seit seiner Jugend – er war ein hervorragender Pianist. Dank seiner Virtuosität war er imstande, eine Vielfalt klanglicher Möglichkeiten seines Instruments zu nutzen. So eröffnete Chopin für sich, aber auch für die nachfolgenden Interpreten seiner Konzerte ganz neue emotionale und musikalische Dimensionen.

Das Klavier in der Hauptrolle

Der polnische Pianist Rafał Blechacz | Bildquelle: Marco Borggreve Rafał Blechacz | Bildquelle: Marco Borggreve In Harmonielehre und Komposition war das junge Genie weitgehend Autodidakt. Er orientierte sich dabei unter anderem an Werken von Johann Nepomuk Hummel und John Field. Auch für diese Komponisten war ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Klavier und Orchester nicht unbedingt entscheidend – das Klavier stand in ihren Werken stets im Vordergrund. Diese Einflüsse haben sich auf beide Klavierkonzerte von Chopin hörbar ausgewirkt: Das Soloklavier spielt die Hauptrolle, das Orchester nimmt eindeutig eine Nebenrolle ein. Doch im e-Moll-Konzert sind die Tuttistellen länger und differenzierter — man spürt die inzwischen erlangte kompositorische Reife. Ein weiteres Beispiel dafür sind jene Passagen, in denen eine Art Zwiegespräch zwischen Klavier und Orchester stattfindet. "Das ist ein kleines Beispiel für Kammermusik und dieses gegensätzliche Aufeinander hören ist enorm wichtig", sagt Rafał Blechacz dazu. "Ich habe dieser Unterhaltung der Instrumente immer mehr Beachtung geschenkt, um vor allem meine eigenen Interpretation zu bereichern, aber auch um zu zeigen, dass das Orchester hier eine wichtige Rolle spielt."

Im Vordergrund steht das melodische Denken

Nuancen und Feinheiten waren für Chopin wichtiger als eine vollkommene Orchesterbegleitung. Im Vordergrund stand für Chopin das melodische Denken, zumal er sich zur Zeit des Komponierens vor allem für den "style brillant" begeisterte. Auch Johann Nepomuk Hummel, Carl Maria von Weber, Friedrich Wilhelm Kalkbrenner und Franz Liszt vertraten diesen Stil, der dem Musiker viel Freiraum bietet, um seine Virtuosität unter Beweis zu stellen. Für Chopin war dies lediglich ein Mittel, um seinen Empfindungen Ausdruck zu verleihen.

Ich bin jedes Mal stolz darauf, dass ich ein Pole bin und dass ich einen polnischen Tanz spielen darf.
Rafał Blechacz über das Finale von Chopins Klavierkonzert Nr. 1

Ein Tanz als Finale

Auf der Basis des polnischen Tanzes Krakowiak entwickelte Chopin das Finale des e-Moll-Konzerts. Die Bindebögen zwischen den Themen verleihen diesem Satz eine besondere Lebhaftigkeit, gleichzeitig verbinden sie die heftigen thematischen Kontraste und machen sie erst sichtbar. Der Pianist fährt hier buchstäblich Achterbahn in den rasanten Passagen und den dynamischen Läufen. Der wohldosierte Umgang mit der Tempobezeichnung Rubato unterstreicht die herausragende Qualität des Werkes und vermittelt die emotionale Tiefe von Chopins Musik. Rafał Blechacz über das Finale: "Ich hatte immer ein besonderes erfüllendes Gefühl, als ich am Ende des dritten Satzes angelangt war und den Krakowiak spielen dürfte. Ich bin jedes Mal stolz darauf, dass ich ein Pole bin und dass ich einen polnischen Tanz spielen darf. Der Klang der Töne erzeugte aber auch Freude beim Publikum. Das Allerschönste ist, wenn das Publikum aufgrund der jeweiligen Interpretation das Werk mit den eigenen Assoziationen und Erinnerungen vervollständigen kann. Und dass jeder, der im Konzertsaal anwesend ist, seine eigenen individuellen Erlebnisse dabei hat."

Musik-Info

Frédéric Chopin:
Konzet für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll, op. 11


Rafał Blechacz (Klavier)
Concertgebouw Orkest Amsterdam
Leitung: Jerzy Semkov

Label: Deutsche Grammophon

Sendung: "Das starke Stück" am 25. Juni 2024, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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