Es ist eines der bekanntesten Klaviertrios überhaupt. "Dumka" heißt auf Ukrainisch "Gedanke" oder "Nachsinnen" – und so bezieht sich der Name "Dumky" auf die schwermütigen, balladenartigen slawischen Gesänge, die der Komponist Antonín Dvořák darin verarbeitet hat. Julia Smilga stellt das Werk gemeinsam mit dem Pianisten Menahem Pressler vom Beaux Arts Trio vor. Am 16. Dezember wurde Pressler 96 Jahre alt.
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"Ich würde nicht sagen, dass es so schwer ist wie ein Beethoven-Trio oder ein Schubert-Trio – nein, so ist es nicht. Aber wenn man nicht den Ton hat, wenn man nicht diese Verschmelzung hat, wenn man nicht bis ins Feinste aufeinander eingeht, dann hat es nicht richtigen Klang. Das ist etwas Besonders, in dem das Trio zu einem einzigen Instrument wird. Der Pianist Menahem Pressler weiß alles über das "Dumky-Trio". Dieses Werk ist auch für ihn gewissermaßen schicksalhaft. Vor über 60 Jahren hat Pressler das Beaux Arts Trio gegründet, zusammen mit dem Geiger Daniel Guilet und dem Cellisten Bernard Greenhouse.
Das Trio entstand eher aus einem Zufall – eigentlich wollten sie nur einige Mozart-Trios aufnehmen. Doch stattdessen mussten die Musiker beim Festival in Tanglewood für ein anderes Ensemble einspringen – und wurden in Amerika als "Beaux Arts Trio" schnell bekannt. Bald kam das Angebot für eine Plattenaufnahme. Die Musiker entschieden sich für das d-Moll Trio von Mendelssohn und das "Dumky"-Trio von Dvořák. Dieses Programm stimmte den Generalmanager der Plattenfirma "Concert Hall Recordings" nicht gerade optimistisch, erinnert sich Menahem Presslser: "Der hat uns gesagt: 'Nun, verdienen werdet ihr nichts. Aber ich kauf' euch ein gutes Abendbrot'. Und wir hatten am selben Abend noch ein Konzert. Wir hatten drei Stunden, um die Platte zu machen. Das gibt’s gar nicht mehr heute. Wir haben also diese Platte gemacht, mit wenig Verbesserungen, denn schon allein die Stücke sind über eine Stunde lang. Und dann hatte ich es ganz vergessen. Und dann, acht Monate später, bekomme ich ein Telegramm: 'Gratulation, ihr habt den Grand prix du Disque gewonnen'. Das war fantastisch – unglaublich, eigentlich!"
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Das Besondere ist – das Gefühl.
Antonín Dvořák | Bildquelle: picture-alliance/dpa Als Antonín Dvořák im Jahr 1891 das Werk "Dumky" komponierte, befand er sich in einer der experimentellsten Phasen seines Schaffens. Mit Werken wie der Achten Symphonie suchte er nach freieren und programmatisch erweiterten Wegen des Komponierens, gleichsam nach der Emanzipation von der romantischen Tradition. Beim "Dumky-Trio" verzichtete Dvořák gar auf die übliche viersätzige Form und wählte stattdessen die Aneinanderreihung von sechs Sätzen. Für diese epischen ukrainischen Volkslieder hatte der Tscheche ganz offensichtlich eine Schwäche. Kein anderer Komponist verwendete das Dumka-Genre in seinem Schaffen so oft wie Dvořák. Er wollte auch dieses Trio gar nicht als Klaviertrio im Sinne der klassischen Kammermusikgattung verstanden wissen. Das Werk war für ihn lediglich eine Folge von sechs slawischen Stücken, die zwischen langsam-schwermütigen und schnell-ausgelassenen tanzartigen Abschnitten wechseln. Das Kontrastprinzip reichte Dvořák als Form in diesem Fall völlig aus. Für Interpreten hingegen kann dieser ständige Wechsel zwischen Heiterkeit und Traurigkeit recht ermüdend werden. Das "Dumky-Trio" stellt die Musiker vor ganz besondere Aufgaben, meint der Menahem Pressler: "Das Besondere ist – das Gefühl. Dumky ist doch eine Art slawischer Erzählung, die traurig und doch tanzend ist und dann wieder traurig endet – zumindest in Gedanken."
"Hinreißend hübsch, aber nicht viel mehr als das" – das soll George Bernard Shaw in seiner Rezension über die englische Premiere des "Dumky-Trios" im Jahre 1894 geschrieben haben. Das könnte man sogar als Lob interpretieren – im Vergleich zu Shaws sonstigen Dvořák-feindlichen Kritiken. Über die Symphonie Nr. 8 zum Beispiel meinte er, dass sie gerade mal das Niveau von Rossinis Ouvertüren erreiche und eine vorzügliche Promenadenmusik für sommerlich ländliche Feste sei …
Die Zeit hat bewiesen, dass der englische Dramatiker mit seiner harten Kritik falsch lag. Dvořáks Musik ist nicht nur bedeutend – sie ist vor allem nach wie vor sehr populär. Und das "Dumky-Trio" gehört zu den Werken, die das musikalische Bild dieses Komponisten bis heute dominieren und das von den bedeutendsten Klaviertrios eingespielt wurde. Allein das Beaux Arts Trio hat das Werk drei Mal aufgenommen. Das letzte Mal im Jahr 2004, in der Besetzung Daniel Hope (Geige), Antonio Meneses (Cello) und Menahem Pressler (Klavier). Es war ihre vorletzte Einspielung. Nach knapp 7.000 Konzerten in aller Welt hat sich das Beaux Arts Trio im Jahr 2008 aufgelöst. Zum Abschied gingen die Musiker auf eine umjubelte Tournee um die halbe Welt. Die letzten Konzerte fanden in amerikanischen Tanglewood statt.
"Das Nette und wirklich Interessante ist, wie sich der Kreis schloss", erinnert sich Pressler. "Wir spielten zwei letzte Konzerte als Trio in Tanglewood, wo es vor 53 Jahren begonnen hatte. Und im zweiten Konzert - da rief mich Greenhouse vorher an. Er war 93 Jahre alt und fragte: 'Menahem, meinst du nicht, ich sollte bei dem letzten Konzert des Trios dabei sein?' Ich antwortete: 'Wie kannst du so eine dumme Frage stellen? Nicht nur sollst du – du musst! Das ist deine Pflicht!' 'Ich wäre gerne gekommen', sagte er, 'aber ich kann keine Karte kriegen!' Dann habe ich ihm die Karten für ihn, seine Tochter und seinen Schwiegersohn verschafft. Und er kam, und vor der letzten Zugabe da stand ich auf und sagte dem Publikum: 'Der, der mit mir das Trio gegründet hat, der wunderbare Cellist Bernhard.Greenhouse ist jetzt im Saal. Und wir möchten ihm gerne diese Zugabe widmen!' Das Publikum hat angefangen zu applaudieren, er stand auf, verbeugte sich und da sagte ich: 'Wir spielen ein Satz aus dem Dumky-Trio. Und meine zwei Kollegen Meneses und Hope waren begeistert, das zu tun. Beide hatten höchste Bewunderung für Greenhouse. So hat sich der Kreis dort geschlossen – mit dem Dumky Trio."
Antonín Dvořák
Klaviertrio Nr. 4 e-Moll, op. 90 "Dumky"
Beaux Arts Trio:
Isidore Cohen (Violine)
Bernard Greenhouse (Violoncello)
Menahem Pressler (Klavier)
Label: Philips
Sendung: "Das starke Stück" am 17 Dezember 2019, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK