Ein Gartenhäuschen im kleinen Ort Søllerød, nördlich von Kopenhagen. Zwischen dänischer Gastfreundschaft und Gesprächen mit dem Pianisten Edmund Neupert komponiert der 25-jährige Grieg große Teile seines Klavierkonzerts, das ihm zum entscheidenden Durchbruch verhelfen sollte. Susanne Herzog stellt das Starke Stück zusammen mit dem Pianisten Herbert Schuch vor.
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Das starke Stück zum Anhören
Auf dem Flügel des berühmten russischen Pianisten Anton Rubinstein, gerade auf Konzertreise in Dänemark, fand am 3. April 1869 die Uraufführung von Griegs Klavierkonzert in Kopenhagen statt: Der Pianist Edmund Neupert, der Grieg bei der Komposition im dänischen Gartenhäuschen mit Rat und Tat zur Seite gestanden hatte, war der Solist. Kurioserweise konnte Edvard Grieg selbst bei der Uraufführung gar nicht dabei sein, weil er in Kristiania, dem heutigen Oslo, zu tun hatte. "Der Triumph, den ich feierte, war großartig", schrieb Edmund Neupert nach der Uraufführung an den Komponisten. Der Beginn eines Siegeszuges durch die Konzertsäle der Welt. Denn mit seinem Klavierkonzert hatte der junge Edvard Grieg die "Farben seines Heimatlandes" gefunden, wie der norwegische Dirigent Eivind Aadland es formuliert. Und Pianist Herbert Schuch ergänzt: "Schon im ersten Satz kommt diese Frische und dieses nordische Licht sehr, sehr gut zum Vorschein. Es gibt wunderbare Stellen fürs Orchester, wo die einzelnen Instrumente sich präsentieren können."
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Herbert Schuch | Bildquelle: Felix Broede Einer der ersten Pianisten, die Griegs Konzert spielten, das war kein Geringerer als Franz Liszt: Den traf Grieg 1870 bei einem Studienaufenthalt in Rom. In Anwesenheit einiger Gäste spielte Liszt Griegs Klavierkonzert unglaublicherweise direkt vom Blatt. Und war hellauf begeistert, kommentierte während des Spiels einzelne Passagen und schloss mit der Bemerkung: "Fahren Sie so fort, ich sage Ihnen, Sie haben das Zeug dazu, und - lassen Sie sich nicht abschrecken." Aber es gab auch kritische Stimmen. Griegs Konzert klinge zu sehr nach dem von Robert Schumann: gleiche Tonart, ähnlicher Anfang des ersten Satzes mit einer vollgriffigen, herabstürzenden Klangkaskade und dem Hauptthema von den Bläsern vorgestellt, vielleicht noch einige melodische Details. War Edvard Grieg, der Meister der kleinen Formen, überfordert durch die große Anlage eines Klavierkonzerts? "Es ist ja nicht so leicht, eine Sonatenhauptsatzform, also einen ersten Satz, gut hinzubekommen, besonders nach Beethoven", erklärt Herbert Schuch. "Da konnte man schon als Komponist, auch als so begabter Komponist wie Grieg, irgendwie verzweifeln. Man muss eben seinen eigenen Weg finden, wie man eine so große Form mit Inhalt füllt, und da kam ihm Schumann eben recht, weil der auch eher von dieser kleinen Form kommt: aus einer kleinen Zelle vieles entwickeln und immer wieder darauf zurück greifen. Aber ich denke gar nicht daran, wenn ich das Stück spiele: Es wirkt sehr eigenständig."
Unweigerlich gibt es da dieses Gefühl von Weite, eine helle Farbe, ein heller Himmel.
Anders als Schumann in jedem Fall: die Assoziationen an norwegische Natur, die Griegs Konzert auslöst. Auch im lyrischen zweiten Satz, bei dem die Streicher und Bläser den Klangteppich liefern, auf dem das Klavier seine zarten Kapriolen schlägt. "Unweigerlich gibt es da dieses Gefühl von Weite, eine helle Farbe, ein heller Himmel, ja vielleicht irgendein traditionelles Instrument aus der Gegend, bei dem irgendwelche Töne fehlen", begeistert sich Pianist Schuch. "Es geht schon ein bisschen in Richtung Impressionismus".
"Schwarzbrot" kombiniert mit "Austern und Kaviar", wie Edvard Grieg einmal sagte: norwegische Volksmusik verbunden mit Kunstmusik. Besonders deutlich im Finale: Der norwegische Tanz Halling prägt das erste Thema. Nach Variation des ersten, schwungvollen Themas, folgt ein zarter Mittelteil. "Der Schluss ist Geschmackssache", äußert sich Herbert Schuch zum Finale. "Ich mag's wahnsinnig gern und finde das toll; es macht Spaß beim Spielen. Das Problem ist nur, man hört das Klavier kaum, weil man sich eben als Pianist gegen ein komplettes Orchester sehr schwer durchsetzen kann." In der Coda des Finales wiederholt Grieg das lyrische Thema des Mittelteils im Fortissimo. Mit einer harmonischen Wendung, die Franz Liszt in Verzückung versetzte. Grieg schrieb aus Rom an seine Eltern: Liszt "verließ das Klavier und ging mit gewaltigen theatralischen Schritten und erhobenem Arm durch die große Klosterhalle und sang nahezu brüllend das Thema. Beim oben erwähnten Fortissimo streckte er wie ein Imperator seinen Arm aus und rief: g, g, nicht gis! Famos!"
Edvard Grieg
Klavierkonzert a-Moll, op. 16
Herbert Schuch (Klavier)
WDR-Sinfonieorchester Köln
Leitung: Eivind Aadland
Label: Audite