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Leoš Janáček Streichquartett Nr. 2 "Intime Briefe"

Sie ist das wichtigste und häufigste Thema im alltäglichen Leben, wie auch in Literatur und Musik: die Liebe. Mit über 60 Jahren lernt Janácek die fast 40 Jahre jüngere Kamila Stösslová kennen. Im 2. Streichquartett mit dem Titel "Intime Briefe" sind die Gefühle für die junge Frau allgegenwärtig.

Leoš Janáček | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Im Spätwerk des tschechischen Komponisten Leoš Janáček ist das Thema Liebe ständig präsent. 1917 lernte er, ein Mittsechziger, die ungleich jüngere Kamila Stösslová kennen. Alle Musik, die er von da an schrieb, schrieb er für sie: Die ferne Geliebte motivierte ihn, sie trieb ihn an. Im 2. Streichquartett mit dem Titel "Intime Briefe", das Janáček ein Jahr vor seinem Tod schreibt, ist die Liebe für Kamila allgegenwärtig.

Eine Eruption der Gefühle

"Intime Briefe" – schon dieser Titel: ein Unding. Eine Provokation. Ein starkes Stück. Wer sich eine Romanze erwartet, leicht frivol vielleicht, vielsagend, mehrdeutig, über den bricht eine Eruption der Gefühle herein. Dass so viel Leidenschaft nicht ihr galt, wusste auch Frau Janackova. Die Ehe war längst zerrüttet, wenn auch nicht geschieden: Ein 1916 geschlossener Waffenstillstand bestimmte, dass "die beiden Ehepartner sich bemühen werden, den Hausfrieden zu halten und die Gefühle des anderen nicht schwerwiegend zu verletzen".

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Erlebnisse, Bilder und Seelenzustände

Das Unglück der Ehe wurde zum großen Thema in Leoš Janáčeks Werk, nicht nur in seinen Opern: sogar in seinem ersten Streichquartett, das Tolstois "Kreutzersonate" in Musik übersetzt. Die "Intimen Briefe" komponierte Janáček 1928, kurz vor seinem Tod. Erst ein Jahr zuvor hatte sich das "Sie" in seinen Briefen an Kamila zum drängenden "Du" geändert. Und so gesehen sind die "Briefe" in der Tat ungehörig indezent: "Unser Quartett", wie Leoš Janáček es nannte, erzählt von der ersten Begegnung, von sommerlichen Erlebnissen, es malt Bilder und Seelenzustände. Der vierte Satz, schrieb Janáček, ist sozusagen "die Angst um Dich – jedoch er klingt schließlich nicht nach Angst, sondern nach Sehnsucht und ihrer Erfüllung."

Das Tschechische in Janáčeks Musik

Der ursprüngliche Titel "Liebesbriefe" schien Janáček dann doch zu verwegen. Auch verabschiedete er sich von seinem Plan, eine Viola d'amore zu verwenden: damit nun jeder merkt, was ihn treibt. Ein seltener Fall von Altersweisheit? Von künstlerischer Selbstbeherrschung gar im emotionalen Ausnahmezustand? Kamila Stösslová wurde zur Wegbegleiterin seiner großen Erfolge. Doch diese Zeit wurde für Janáček noch in anderer Hinsicht zur großen Freiheit: Er, der die Sprache liebte, der mit ihr spielte und wie kaum ein anderer in Musik übersetzen konnte, begriff die tschechische Eigenständigkeit als Aufbruch. Und anders als die älteren Kollegen Smetana und Dvořák gab es für ihn eben nicht mehr die Wahl zwischen Deutsch und Tschechisch. Für Janáček war klar: Tschechisch musste auch seine Musik sein, entschieden tschechisch in ihrem Gestus und Tonfall. Und deshalb darf man den Titel "Intime Briefe" durchaus wörtlich nehmen: Was Janáček schreibt, kann man zwischen den (Noten)Zeilen leicht hören.

Musik-Info

Leoš Janáček:
Streichquartett Nr. 2 "Intime Briefe"


Melos Quartett:
Wilhelm Melcher (Violine)
Gerhard Voss (Violine)
Hermann Voss (Viola)
Peter Buck (Violoncello)

Label: Harmonia Mundi France

Sendung: "Das starke Stück" am 09. Mai 2023, 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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